Der zweite Gral
klickte, und die Leitung war tot.
Lara saß auf einem Sessel und sah fern. Besser gesagt, sie starrte auf den Bildschirm. Von dem, was der Nachrichtensprecher über die neuesten Wirbelstürme am Golf von Mexiko berichtete, bekam sie kaum etwas mit. Vor ihr auf dem Tisch lag ein Zettel mit einer Telefonnummer, den Tom Tanaka ihr gegeben hatte. Unter diesem Anschluss könne sie ihn jederzeit erreichen, hatte er gesagt.
Die Frage, weshalb Emmet den jungen Interpol-Beamten auf der Baustelle getötet hatte, quälte Lara. Alles in ihr sträubte sich gegen den Gedanken, dass er ein Mörder war. Gleichzeitig wusste sie, dass Tanaka sie nicht belog. Ein Augenzeuge hatte Emmet am Tatort gesehen.
Lara war den Tränen nahe. Gewiss hatte Emmet aus gutem Grund so gehandelt, aber die Vorstellung, wie er einem Wehrlosen die Kehle durchschnitten hatte, ließ sie schaudern.
Es klopfte. Lara verstaute den Zettel mit Tanakas Telefonnummer in der Hosentasche und stand auf, um zu öffnen. Im Flur stand Emmet.
»Was ist los mit dir?«, fragte er. »Deine Augen sind rot. Hast du geweint?«
Lara schüttelte den Kopf. »Die Klimaanlage«, log sie. »Die trockene Luft bringt mich um.«
»Dann lass uns nach draußen gehen. Der Abend ist herrlich.«
»Was denn, jetzt noch?«
»Es ist erst Viertel nach acht.«
»Ich bin hundemüde ....«
Emmet bedachte sie mit einem viel sagenden Blick. »Was ist mit dir? Gehst du mir aus dem Weg?«
Lara bemühte sich um eine Miene, die besagen sollte: alles in Ordnung. Aber sie war nicht sicher, ob ihr das gelang.
»Ich bin ebenfalls müde, Lara«, sagte Emmet mit Nachdruck. »Am liebsten würde ich mich aufs Ohr hauen und eine Woche lang schlafen. Aber wir müssen mehrere gekidnappte Menschen befreien.« Er machte eine Pause; dann erzählte er von dem Telefonat. »Ich brauche deine Hilfe«, sagte er. »Jemanden, der Arabisch spricht, falls wir mit Englisch nicht weiterkommen. Außerdem kämpft es sich zu zweit besser als allein, falls es zum Äußersten kommt.«
Lara fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Sie fühlte sich weiß Gott nicht in der Verfassung, an Emmets Seite einem Waffenschieberring gegenüberzutreten und um Zahlungsaufschub zu bitten. Andererseits hatte Emmet Recht. Sie waren hierher gekommen, um herauszufinden, was mit Anthony Nangala und den entführten Sudanesen geschehen war.
»Also schön, ich komme mit«, sagte sie. »Ich hoffe nur, du weißt, was du tust.«
43.
W ie lange wird es noch dauern, bis Doktor Goldmann uns die Einzelheiten erklärt?«, fragte Thomas Briggs. Er saß zusammen mit Sergej Ljuschkin und Scheich Assad an einer langen Tafel und erfreute sich der Köstlichkeiten, die soeben vom Dienstpersonal des Palasts aufgetragen wurden. Der herrliche Duft von Gebratenem stieg ihm in die Nase.
»Es wird nicht mehr lange dauern«, versicherte ihm Assad. »Ich denke, er wird nach dem Essen zu uns stoßen. Er trifft nur noch einige Vorbereitungen.«
»Für die Behandlung von Senator Bloomfield?«
»Für das vielleicht wichtigste medizinische Experiment der Menschheitsgeschichte«, antwortete Assad.
Briggs konnte es kaum erwarten, endlich über den neuesten Stand der Dinge aufgeklärt zu werden, doch im Moment verdrängte der schiere Hunger die Neugier. Er ließ sich von einem Lakaien gleich mehrere Scheiben Lammfilet geben. Auch mit Beilagen geizte er nicht. Der Anblick des aufgehäuften Tellers ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen.
»Sie haben einen gewaltigen Appetit für einen Mann Ihrer Statur«, bemerkte Ljuschkin, der neben ihm saß. »Wenn Sie jeden Tag so zuschlagen, sehen Sie bald so aus wie ich, Briggs.« Er klopfte sich belustigt auf den Bauch und wandte sich Assad zu, der sein Gedeck schon wieder abräumen ließ. »Was ist mit Ihnen, Hoheit? Fasten Sie?«
»Seit meinem Infarkt lebe ich mit Bedacht. Leider gehörtauch eine strenge Diät dazu, die meine Berater mir verordnet haben.«
»Ernährungsberater? Was wissen die schon?« Ljuschkin seufzte und roch genießerisch an seinem Teller. »Die einen behaupten dies, die anderen das. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Hungern gesund ist. Ein knurrender Magen fühlt sich jedenfalls nicht gesund an!« Er lachte, schob sich eine gehäufte Gabel in den Mund und kaute genüsslich.
Assad beobachtete ihn mit undurchsichtigem Lächeln. »Offenbar sind Ihnen die Forschungen von McCay und Comfort kein Begriff.«
»Nie gehört«, gab Ljuschkin zu.
»Die beiden erlangten mit ihren Ernährungsexperimenten
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