Der Zweite Messias
abzunehmen. Erst als ich sein Schuldgeständnis hörte, erfuhr ich die wahre Geschichte. Doch als Priester war ich an mein Schweigegelübde gebunden. Ich durfte Kubels Beichte nicht preisgeben und nicht einmal die Polizei informieren.«
»Obwohl es um Mord ging?«
»Es stand nicht einwandfrei fest, ob Kubel einen Mord begangen hatte. Diebstahl, ja. Aber Mord, das war nicht sicher. Die polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass der Unfall durch den Militärlaster verursacht worden war.«
»Aber Kubel hatte die Absicht, uns notfalls alle zu töten, nicht wahr?«
»Ich nehme es an. Darum habe ich mit meinen damaligen Vorgesetzten gesprochen, um Klarheit zu gewinnen. Man erklärte mir, Kubel habe im Sinne des Gesetzes kein nachweisbares Verbrechen begangen. Er hatte böse Absichten, aber die Auswirkungen seines Handelns konnten nicht eindeutig nachgewiesen werden.«
»Das passt ja alles bestens zusammen. Aber was sagt Ihr Herz dazu?«
Der Papst seufzte. »Kubel übergab die Schriftrolle dem Vatikan, und seine Vorgesetzten wollten ihn decken. Das war nicht recht. Deshalb habe ich eine schriftliche Aussage eingereicht, in der ich diese Haltung verurteilte. Aber ich wurde ignoriert.«
»Warum haben Sie sich nicht von Ihrem inneren Gefühlleiten lassen und die Polizei informiert? Warum haben Sie geholfen, Kubels Verbrechen zu decken?«
Der Papst faltete die Hände vor dem Gesicht, als spräche er ein stilles Gebet. »Ich habe mich in den letzten zwanzig Jahren mit dieser Frage herumgequält, Jack. Und die Antwort lautete, dass ich Priester bleiben müsse. Nur auf diese Weise könnte ich eines Tages versuchen, die Missetaten innerhalb der Kirche aufzuklären.«
»Das haben Sie sich schön zurechtgelegt.«
»Nein, Jack. Ich habe nicht darum gebeten, zum Papst gewählt zu werden. Ich glaube aber, dass ich aus einem bestimmten Grund gewählt wurde.«
»Und aus welchem?«
»Um den Willen Gottes zu erfüllen. Um einen grundlegenden Wandel herbeizuführen. Und genau das wird jetzt geschehen. Bald werden die Archive des Vatikans der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und seine Privatgeschäfte offengelegt. Es wird keine Lügen mehr geben, keine Geheimnisse und keine Doppelzüngigkeit. Der Kurs der Kirche wird sich für immer ändern.«
Jack hörte die Ernsthaftigkeit in Beckets Worten. »Sie meinen es ernst, nicht wahr?«
»Oh ja. Und da ist noch etwas. Pater Kubel verstarb heute Morgen nach einer langen Krankheit. Seine Schwester hat die Beichte seines Verbrechens auf dem Totenbett bezeugt. Wenn Sie wünschen, kann ich ein Treffen zwischen ihnen beiden arrangieren.«
Jack dachte darüber nach. »Noch eine Frage. Stimmt es, was in der Schriftrolle steht? Gab es wirklich einen zweiten Messias?«
»Ja, es stimmt. Es gibt weitere Schriftrollen, die diesen falschen Messias erwähnen, wodurch Zweifel auf die Taten des wahren Jesu geworfen werden.«
Jack runzelte die Stirn. »Wie wollen Sie verhindern, dass diese Zweifel zu einem Chaos führen?«
Becket antwortete ihm, ohne zu zögern. »Das weiß ich nicht, Jack. Ich habe gebetet und von Gott eine Antwort erfleht. Doch bis jetzt habe ich sie nicht bekommen.«
»Hat das Ihren Glauben verändert?«
»Nein«, erwiderte Becket überzeugt. »Jeden Tag habe ich Gottes Anwesenheit gespürt, seine Liebe und Güte. Wie könnte ich da nicht glauben?«
»Sie sind ein bemerkenswerter Mann. Ich wollte, ich besäße Ihren Glauben.«
Ein intensiver Blick aus Beckets blauen Augen richtete sich auf Jack. »Wir alle tragen den Glauben in uns, nur ist er bei manchen Menschen tiefer vergraben als bei anderen. Aber wir hören alle das Echo der Stimme Gottes. Wir alle sind außergewöhnliche Geschöpfe, Jack, die von der Liebe und Großartigkeit unseres Schöpfers berührt wurden. Deshalb kann jeder von uns unfassbare Dinge vollbringen.«
»Ich habe noch eine Frage und bitte um eine ehrliche Antwort. Hat der Vatikan irgendetwas mit dem Diebstahl der Schriftrolle und dem Tod von Professor Green zu tun?«
»Davon weiß ich nichts, Jack. Sie haben mein Wort.«
»Aber wenn der Vatikan auf irgendeine Weise in die Sache verstrickt wäre, hätten Sie die Macht, das herauszufinden, nicht wahr?«
»Der Vatikan ist bekannt für seine Geheimnisse und Intrigen. Wenn es nach mir geht, wird das bald ein Ende haben. Aber in jeder großen Organisation, ob gesellschaftlich, politisch oder kirchlich, gibt es Gruppen, die mit allen Mitteln ihre eigenen Vorstellungen durchzusetzen versuchen. Trotzdem
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