Der Zweite Messias
hastig, Professor.«
»Yasmin?«
»Für mich nicht. Ich habe die letzte halbe Stunde damit verbracht, die leeren Bierdosen einzusammeln, die die Leute überall liegen gelassen haben. Eine Frau wie ich, die nicht das Glück hat, Archäologin zu sein, sondern bloß aus reinem Interesse hier mitarbeitet, scheint immer für das Aufräumen zuständig zu sein.« Sie schaute ihren Onkel an und tippte auf ihre Armbanduhr. »Ich weiß, dass es die unglaublichste Entdeckung ist, an der du je beteiligt warst, aber es ist schon fünf Uhr durch. Alle anderen liegen seit Stunden in den Betten. Du solltest dich ebenfalls schlafen legen, Onkel. Schließlich steht morgen dein Besuch bei der israelischen Behörde für Altertumsforschungen an.«
Jack trank sein Glas mit einem Schluck leer. »Yasmin hat recht, Professor. Ich haue mich jetzt aufs Ohr.«
Der Professor grinste. »Na toll. Gerade wenn es richtig gemütlich wird, verdrücken Sie sich.«
Yasmin zwinkerte Jack zu. »Versuch du, meinen Onkel zu überreden, ins Bett zu gehen, okay? Gute Nacht. Ich räume noch ein bisschen auf, dann lege ich mich ebenfalls hin. Nochmals herzlichen Glückwunsch, Jack.« Sie lächelte ihm zu, ehe sie hinausging. Ihr blondes Haar und ihre dunklen Augen bildeten einen reizvollen Kontrast.
Jack schaute ihr nach, als sie in der Dunkelheit verschwand. Green bemerkte seinen Blick und schloss die Zelttür. »Sie ist sehr hübsch, nicht wahr?«
»Oh ja.«
»Yasmin hat ihr Aussehen von der libanesischen Frau meines Bruders geerbt. Sie war eine Schönheit. Die Verbindung zwischen dem Mittleren Osten und dem Westen kann eine exotische Mischung hervorbringen. Und Yasmin hat den Vorteil einer westlichen Ausbildung – das macht sie noch anziehender.« Green lächelte verkniffen, ehe er den Whisky herunterkippte. Dann stellte er das Glas ab und füllte es nach. Plötzlich klang seine Stimme ein wenig verärgert. »Ich hatte immer eine Schwäche für das weibliche Geschlecht, wie Sie sicher wissen. Drei Ehen, das sagt wohl alles. Darf ich Ihnen trotzdem einen freundschaftlichen Rat geben?«
»Und welchen, Professor?«
»Ich habe meinem Bruder versprochen, seine Tochter nicht aus den Augen zu lassen, solange sie uns hier bei den Ausgrabungen hilft.« Green trank einen Schluck und verzog das Gesicht, als hätte der Whisky plötzlich einen scheußlichen Geschmack. »Vielleicht sollte ich Ihnen einfach die Wahrheit sagen …« Er verstummte, als bedauerte er seine Worte bereits. »Ach, vergessen Sie’s.«
»Welche Wahrheit?«, fragte Jack. »Was soll ich vergessen?«
Green wirkte verlegen. »Ich wollte bloß sagen, dass die meisten Männer, die bei dieser Ausgrabung mitarbeiten, eine Bande geiler Scheißkerle sind, die nur noch ans Vögeln denken, sobald sie einen Rock sehen. Mich eingeschlossen. Sie zähle ich natürlich nicht dazu, Jack. Ich kenne Sie viel zu lange, um so etwas zu behaupten.«
»Danke für Ihr Vertrauen, aber ich habe auch meine Schwächen.«
Green lächelte verhalten. »Haben wir die nicht alle, wenn es um Frauen geht? Ich möchte aber nicht, dass Yasmin auf irgendeine Weise sexuell missbraucht wird. Verstehen Sie?«
»Wie alt ist sie, Professor? Fünfundzwanzig? Ich glaube, sie kann selbst entscheiden, was sie will.« Jack stellte sein Glas ab. Er war zu erschöpft, um noch einen Schluck zu trinken. »Verschließen Sie die Flasche für eine andere Gelegenheit und gehen Sie schlafen, Professor. Ich mache einen Spaziergang, um einen klaren Kopf zu bekommen, ehe ich mich ins Bett lege.«
Green klopfte Jack noch einmal auf die Schulter. Er lallte schon ein wenig. »Okay. Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, Jack, aber das haben Sie gut gemacht. Ihre Eltern wären stolz auf Sie. Zu schade, dass sie das nicht mehr erleben können. Kaum zu glauben, dass sie schon zwanzig Jahre tot sind. Ich vermisse sie noch immer.«
»Ich auch.«
Greens Hand rutschte von Jacks Schulter. »Gute Nacht.«
»Gute Nacht, Sir.« Jack öffnete die Zelttür und wollte gerade gehen, als Green noch etwas hinzufügte.
»Übrigens … Sie waren wohl so beschäftigt, dass Sie gar nichts von der Neuigkeit gehört haben, nicht wahr?«
Jack drehte sich um. »Welche Neuigkeit?«
Green trank sein Glas aus. »Der amerikanische Priester, der damals in Qumran gearbeitet hat, als Ihre Eltern bei dem Unfall ums Leben kamen …«
Jack nickte. »John Becket. Was ist mit ihm?«
»Er hat sich zum Papst wählen lassen.«
10.
Gott sprach: Es werde Licht. Und es
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