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Der Zwerg reinigt den Kittel

Der Zwerg reinigt den Kittel

Titel: Der Zwerg reinigt den Kittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Augustin
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freut mich für dich.
    Und so weiter.
    Suzanna isst Kuchen, Karlotta bestellt einen doppelten Espresso nach dem anderen, Marlen nippt an einem Glas Mineralwasser, heute mit Zitrone, zwei Kalorien mehr, aber was soll’s, zur Feier des Tages.
    Später werden wir in eine Kneipe gehen und Schnaps trinken. Dreihundert Kalorien pro Glas, wird Marlen sagen und das Zeug hinunterstürzen wie Mineralwasser. Suzanna wird irgendetwas Essbares bestellen, irgendwann nach dem dritten oder vierten Glas, zum Beispiel Schweinsrippchen oder tote Hunde, egal, Hauptsache fett, Hauptsache gebraten. Karlotta wird Espresso bestellen, genau nach dem sechsten Glas, nicht früher, nicht später. Ab dann: Schnaps, Espresso, Schnaps, Espresso, Karlottas Herzklappen: flatternde Flügelchen.
    Es wird sein wie früher, wir sind im Urlaub.
    Â»Genau«, sagt Karlotta, »im Urlaub. Für immer.« Sie macht dem Kellner ein Zeichen, noch eine Runde, er nickt irritiert. Kein Wunder, sieht man ja auch selten, vier alte Frauen, die am frühen Abend in einer leeren Kneipe sitzen und sich planmäßig betrinken. Wenn es nach dem Kellner geht, sitzen wir jetzt zu Hause vor dem Fernseher oder am Bett unserer Enkelkinder und lesen ihnen eine Gutenachtgeschichte vor. Zur Not sitzen wir auch in einem klassischen Konzert oder schwingen das Tanzbein im Tangokurs 60 +.
    Â»Und wisst ihr, wo wir unseren Urlaub verbringen werden?«, sagt Karlotta.
    Â»Hier«, sagt Marlen und leckt die letzten Kalorien aus dem Schnapsglas. »Wir bleiben einfach für immer hier.«
    Â»Oh ja!« Suzanna klatscht in die Hände.
    Der Kellner kommt mit der nächsten Runde. Er stellt die Schnapsgläser auf den Tisch und starrt auf Marlens Ziegentitten, die sich unter dem dünnen Stoff durchdrücken, dann auf Karlottas rasanten Kurzhaarschnitt.
    Â»Was gibt’s da zu glotzen?«, sagt Karlotta.
    Â»Ã„h«, sagt der Kellner.
    Â»Gute Antwort«, grinst Marlen.
    Â»Einmal die Rippchen. Und jetzt verschwinde, Schätzchen«, sagt Suzanna freundlich.
    Der Kellner verzieht sich.
    Â»Salut!« Karlotta hebt das Glas. »Wir trinken auf unseren Urlaub. Und auf das Hotel, in dem wir ihn verbringen werden. Der Urlaub wird Jahre dauern, wenn nicht Jahrzehnte, und wir werden das tun, was wir schon immer getan haben im Urlaub: nichts.«
    Â»Hotel?«, sage ich und denke an den fettarmen Streichkäse, den ich mir von meiner Rente gerade noch leisten kann. Keine Ahnung, was eine Krankenschwester so bekommt oder eine Sportlehrerin, aber es dürfte sich auf fettarmem Niveau bewegen.
    Â»Hotel find ich gut«, sagt Marlen. Klar, bei dreizehn Klauspeters kommt schon was zusammen.
    Â»Vollpension, Zimmerservice, Wäschedienst«, sagt Karlotta. »Unterhaltungsprogramm, Ausflüge. Alles auf Staatskosten, wenn wir das hinkriegen mit dem MDK , und das kriegen wir.«
    Â» MDK ?«, sage ich.
    Â»Erklär ich dir später«, sagt Karlotta. »Auf jeden Fall sind die Finanzen gebongt. Wir ziehen ins Altenheim, Leute, Salut!«
    Marlen zieht die Brauen hoch. Scheint nicht so gut zu kommen, der Vorschlag, aber Karlotta ist vorbereitet. Sie stürzt den Schnaps hinunter und knallt das Glas auf den Tisch. Sie hebt ihren kleinen alten Arsch vom Stuhl und zieht eine Broschüre aus der Hosentasche. Sie knallt die Broschüre auf den Tisch, und da ist er wieder: mein glatzköpfiger kleiner Freund mit der Kanüle im Arm. Er lächelt mich vom Cover her an, ich lächle zurück. Karlotta tippt auf die Frau mit der roten Clownsnase. » So wollen sie uns«, sagt sie. »Sie wollen uns fertigmachen.«
    Die Broschüre, sagt Suzanna, die habe ich auch bekommen.
    Ich auch, sage ich.
    Ich auch, sagt Marlen.
    Â»Standardpaket des Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Bekommt jeder, der in Rente geht oder eine Witwenpension bezieht. Tausende Menschen, geschätzte siebzig Prozent davon Frauen, haben diesen«, Karlotta tippt, »Scheißdreck schon bekommen.«
    Â»Aber das Gehirnjogging war lustig«, sagt Suzanna, »vor allem die unvollständigen Sprichwörter. Frisch gewagt ist halb …«, sie sieht erwartungsvoll in die Runde.
    Â»Zerronnen«, sage ich.
    Marlen verdreht die Augen, Karlotta winkt dem Kellner, der sich hinter dem Tresen verschanzt hat und uns zwischen den Zapfsäulen hindurch beobachtet. Er nickt ängstlich.
    Â»Richtig!« Suzanna klatscht in die

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