Des Teufels Alternative
Hoek van Holland meldete sich eine Stimme, die wie der Kapitän englisch sprach.
»Kapitän Larsen, hier ist Jan Grayling. Wie geht es Ihnen und Ihren Leuten?«
Auf der Freya bedeckte Swoboda Larsens Sprechmuschel mit einer Hand.
»Keine Fragen!« fauchte er. »Erkundigen Sie sich nur, ob der westdeutsche Botschafter da ist, und lassen Sie sich seinen Namen nennen.«
»Stellen Sie mir bitte keine Fragen«, sagte Larsen zu dem Ministerpräsidenten. »Ich darf nicht antworten. Ist der westdeutsche Botschafter bei Ihnen?«
In der Leitstelle wurde das Mikrofon an Konrad Voss weitergegeben.
»Hier ist der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland«, sagte er. »Mein Name ist Konrad Voss.«
Auf der Brücke der Freya nickte Swoboda Larsen zu.
»Ist in Ordnung«, sagte er zufrieden. »Sie können jetzt den Text vorlesen, Captain.«
Die um das Kontrollpult in Maas Control versammelten sechs Männer – ein Ministerpräsident, ein Botschafter, ein Psychiater, ein Funktechniker, der sich für den Fall bereithielt, daß technische Störungen auftraten, der Hafendirektor und der Wachhabende lauschten atemlos. Der Sprechfunkverkehr mit den anderen Schiffen wurde jetzt über einen freien Kanal abgewickelt. Die beiden Aufnahmegeräte liefen lautlos. Der Lautstärkeregler war weit aufgedreht; Thor Larsens Stimme hallte durch den Raum.
»Ich wiederhole, was ich Ihnen heute morgen um neun Uhr mitgeteilt habe. Die ›Freya‹ befindet sich in der Hand von bewaffneten Männern. An Bord sind Sprengladungen angebracht worden, deren Explosion das Schiff zerreißen würde. Diese Sprengsätze können auf Knopfdruck gezündet werden. Ich wiederhole: Sie können auf Knopfdruck gezündet werden. Es darf kein Versuch unternommen werden, die ›Freya‹ zu entern oder anzugreifen. In einem solchen Fall würde die Sprengung sofort ausgelöst. Die Verantwortlichen sind eher bereit zu sterben, als nachzugeben. Sollte der Versuch gemacht werden, sich der ›Freya‹ zu Wasser oder aus der Luft zu nähern, wird einer meiner Männer hingerichtet – oder zwanzigtausend Tonnen Öl werden über Bord gepumpt.
Dies sind die Forderungen: Die politischen Häftlinge Dawid Lasareff und Lew Mischkin, die sich im Augenblick im Westberliner Gefängnis Tegel befinden, sind freizulassen. Sie sind mit einer deutschen Maschine von Westberlin nach Israel auszufliegen. Der israelische Ministerpräsident muß öffentlich die Versicherung abgeben, daß die beiden Männer weder an die Sowjetunion ausgeliefert noch in die Bundesrepublik zurücküberstellt werden. Die Freilassung hat morgen früh bei Tagesanbruch zu erfolgen. Israel muß Mischkin und Lasareff Straffreiheit und bis Mitternacht freies Geleit zusichern.
Werden diese Forderungen nicht erfüllt, tragen Westdeutschland und Israel die Verantwortung für alle Folgen. Das ist unser letztes Wort. Wir nehmen erst wieder Verbindung auf, wenn unsere Forderungen erfüllt sind.«
Nachdem Larsens Stimme verklungen war, herrschte im Kontrollraum betroffenes Schweigen. Jan Grayling sah zu Botschafter Voss hinüber. Der Deutsche zuckte mit den Schultern.
»Ich muß sofort mit Bonn telefonieren«, sagte er.
»Ich kann Ihnen sagen, daß Kapitän Larsen unter beträchtlichem Streß steht«, ließ sich der Psychiater vernehmen.
»Vielen Dank!« Grayling konnte die Ironie in seiner Stimme nicht unterdrücken. »Das trifft wohl auf uns alle zu … Meine Herren, was wir eben gehört haben, dürfte innerhalb einer Stunde an die Öffentlichkeit gedrungen sein. Ich schlage vor, daß wir in unsere Büros zurückfahren. Ich werde eine kurze Erklärung für die Einuhrnachrichten vorbereiten. Herr Botschafter, ich fürchte, daß der Druck sich jetzt auf Bonn verlagern wird.«
»Allerdings! Ich muß so schnell wie möglich in die Botschaft zurück!«
»Dann fahren Sie am besten mit mir«, schlug Grayling ihm vor. »Wir können uns unterwegs noch beraten.«
Ihre Mitarbeiter nahmen die beiden Tonbänder mit, und die Gruppe fuhr nach Den Haag zurück, das von Hoek van Holland mit dem Auto in einer Viertelstunde zu erreichen ist. Als die Wagen abgefahren waren, stieg van Gelder auf das Flachdach hinauf, auf dem Harry Wennerström seine Ehrengäste mit Champagner und Lachsbrötchen hatte bewirten wollen, während sie dem Einlaufen der Freya zusahen.
Vielleicht kommt sie jetzt nie mehr, dachte van Gelder und starrte auf das blaue Wasser hinaus. Er war Kapitän in der holländischen Handelsmarine gewesen, bevor er seßhaft
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