Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
Zwerg Bartel, der ihr immer nachgestellt hatte, der sie belästigt hatte. Wieder einmal war Anna beschützt worden, und wieder einmal bereitete ihr dieser schutz Unbehagen. Sie wollte ihn nicht, und sie wollte auch niemandem von ihren erneuten Sorgen erzählen.
Stattdessen widmete sie sich ganz ihrer Arbeit. Sie hatte einen riesigen Hof zu führen. sie, Anna Pippel, die landarme Kötterin aus Westfalen, war verantwortlich für einen Hof, der größer war als der des Bauern Schulz. Natürlich hatte sie in Mergel und dem Jungen emsige Helfer, doch die beiden waren in landwirtschaftlichen Dingen unerfahren. Nicht so Anna. Sie kannte sich aus, und es bereitete ihr enorme Genugtuung, ja, sie blühte regelrecht darin auf, die Früchte ihres harten Schaffens nach und nach ernten zu dürfen. Endlich hatte sie das Gefühl, etwas für sich selbst zu tun. Gewiss mussten sie Gewinn und Pacht zahlen, aber das hatte Bauer schulz auch entrichten müssen, und dennoch war er sein eigener Herr gewesen. Genau wie sie, Anna Pippel, nun ihre eigene Herrin war. Zumindest fühlte sie sich so, denn die eigentliche Herrin, Helene Maria Gramshuber, geborene Moosberger, war nur noch ein verrücktes altes Weib und zu nichts zu gebrauchen.
Über dieser großen Aufgabe vergaß Anna mitunter alles, was sie zuvor bedrückt hatte. Sie vergaß die mögliche Rückkehr des mysteriösen Verfolgers, und sie vergaß auch den Krieg. Und nicht nur sie verlor den Krieg aus den Augen, sondern auch alle Menschen um sie herum, die fleißig ihre Ernte einfuhren, ihr Vieh mästeten und des Sonntags in der Kirche beteten, dass der Sommer nicht zu trocken und der Winter nicht zu lang würde. Auch diese dachten nicht daran, dass die Regelmäßigkeit ihres Lebens bald aufs Fürchterlichste aus den Fugen geraten würde.
XXIV
Während der Sommer des Jahres 1631 noch in Ruhe und Ordnung verbracht wurde, begann sich im Herbst desselben Jahres bereits eine schreckliche Vorahnung im Bayernland zu verbreiten.
Hans Mergel war einer der Ersten im Dorf, der über den Ausgang der großen Schlacht von Breitenfeld informiert war. Woher der Alte, welcher sich nach wie vor nur mit fremder Hilfe aus dem Haus bewegen konnte, immer so gut über das Zeitgeschehen unterrichtet war, wusste selbst Anna nicht. Aber er hielt Ende September plötzlich ein Fliegendes Blatt in Händen, welches offensichtlich nicht aus München, sondern aus dem schwedenfreundlichen Augsburg kommen musste, denn auf diesem Blatt wurde mit großem Hurra der Sieg des Königs Gustav Adolf über das Ligaheer Tillys gefeiert. Zwar war das sächsische Breitenfeld, wo der Kampf stattgefunden hatte, weit entfernt. Doch selbst dem Dümmsten im Lande Bayern war klar, dass der schwede, nun verbündet mit den Sachsen und versehen mit einem mittlerweile 40 000 Mann starken Heer, kein anderes Ziel haben würde, als demjenigen entgegenzuziehen, von dem die meiste Gefahr für das Wohl der protestantischen sache ausging. Das war nicht etwa der Kaiser, der zwar fromm und katholisch war, aber tatsächlich als Person noch nicht groß vom bisherigen Krieg profitiert hatte, und es war auch nicht Wallenstein, welcher bekanntlich längst seinen Dienst hatte quittieren müssen. Nein, Maximilian von Bayern stand ganz oben auf der Liste der Feinde des schwedenkönigs, und mit ihm dessen reiches und nahezu unberührtes Land.
Schnell verbreitete sich die Kunde vom Erfolg des von Katholiken bislang als »Schneekönig« belächelten Gustav Adolf, der von den Protestanten im Lande längst als ihr glorreicher und heldenhafter Retter gefeiert wurde. In München dagegen bekam man es langsam mit der Angst zu tun, weshalb man die strenge Verordnung erließ, ein jeder katholischer Bayer solle an einem jeden Sonn- und Feiertage mindestens zehn stunden dafür beten, dass dieser Kelch aus dem Norden an dem wunderschönen Heimatland im Süden vorübergehe.
Auch in ihrem Dorf wurde fast täglich zu einem gemeinsamen Gebet in der Kirche aufgerufen, dem zumindest Anna fromm Folge leistete. Hans Mergel hingegen, der schon lange alle religiösen Floskeln aus seinem Wortschatz verbannt hatte, vertrat die Meinung, dass Gebete nichts nützten, vielmehr solle man doch den Wallenstein zurückrufen und die Burschen aus allen umliegenden Dörfern zwangsrekrutieren. Etwas anderes helfe nicht, zumal der Schwede dem Tilly ordentlich den Marsch geblasen hatte, was ihn, Mergel, nicht verwundere, da doch der alte Haudegen als Nachfolger Wallensteins und
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