Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
welche der ganze stolz des musikalischen Pfarrers war.
Bald sah man jedoch ein, dass dies nur ein verhältnismäßig harmloses Betragen gewesen war, denn immerhin hatte sich diese Gruppe von schwedischen Reitern einigermaßen gesittet aufgeführt, auch wenn die Orgel letztendlich zu Bruch gegangen war. Andere Marodeure, die im Laufe der nächsten Wochen immer wieder in den Ort einfielen, gaben sich nicht mit einem Tänzchen, einem schluck Messwein und dem Zertrümmern von Musikinstrumenten zufrieden.
Da musste selbst die Rosi einiges gegen ihren Willen über sich ergehen lassen, während Anna sich gegen männliche Zudringlichkeiten mit einem selbstgebrauten Brechmittel wappnete, welches tatsächlich zweimal seine Funktion erfüllte, sodass die Peiniger vor Ekel und Abscheu das Weite suchten. Anna blieb also, was den schutz ihrer Weiblichkeit betraf, unversehrt. Doch leider galt dies nicht für Haus und Hof der Leni Gramshuber.
Noch im Mai verloren sie ihren gesamten Viehbestand. Hans Mergel konnte ihn zwar in Landsberg, wohin die Schweden alles gestohlene Vieh verschleppten und zu Schleuderpreisen verhökerten, wieder aufstocken. Unglücklicherweise war jedoch seine Reise vergebens gewesen, denn bereits am Tag nach seiner Rückkehr war wieder alles gestohlen oder noch vor Ort geschlachtet und ausgeweidet worden.
Ausgeweidet wurde auch das Haus. Es gab keine Wertgegenstände mehr, alles nahm man mit und hinterließ wiederum nur schmutz, Unrat und mitunter sogar Leichen, welche Anna und Balthasar mühsam beseitigen mussten. So hatten sich an einem Abend zwei Schweden beim Kartenspiel in der stube des Gramshuber-Hofes so sehr in die Haare bekommen, dass dem einen von beiden offenbar nichts anderes übrigblieb, als seinem Kontrahenten mitten ins Gesicht zu schießen.
Was der Leni Gramshuber und ihrem Gesinde in diesen Wochen jedoch erspart blieb, war das Feuer. Zumindest schlug es nicht so erbarmungslos zu wie auf den anderen ganzen Höfen des Ortes, die innerhalb nur einer Nacht vollkommen niederbrannten. Zwar kam es durch die Unachtsamkeit unwillkommener Gäste eines Abends zu einem Brand in einer der oberen Kammern. Doch konnten Balthasar und Anna dank des hauseigenen Brunnens Schlimmeres verhindern, sodass lediglich drei Zimmer ausbrannten. Darunter war jedoch auch Annas Schlafkämmerchen.
Und an einem Tag im Mai hatten die vier Bewohner des Hofes wieder einmal Glück im Unglück. Eine große Gruppe raubender schwedischer Söldner wurde erwartet. Auf den Rat des kriegserfahrenen Hans Mergel zogen es er, Anna, der Junge und auch die alte Bäuerin – sie musste getragen werden – vor, sich in einer Nische des modrigen Kellergewölbes zu verstecken, während alle anderen Bewohner des Dorfes in den Wald flüchteten. Als die Schweden davon hörten, dass sich in dem Waldstück die Bevölkerung gleich mehrerer umliegender Dörfer verschanzt hielt, erlaubten sie sich einen makabren Scherz. Wie auf einer Treibjagd versammelten sie sich zu Dutzenden um den Wald, und während die einen die Menschen von hinten aus ihren Verstecken trieben, standen die anderen bereits vorne am Waldesrand und hielten ihre geladenen Büchsen bereit, um auf alles zu schießen, was dort in panischer Angst auf sie zugelaufen kam. Allein aus Annas Ort kehrten vierzehn Leute nicht wieder zurück.
»so ist das im Krieg«, kommentierte Mergel, als sie von der Menschenjagd erfuhren. »Aber das weißt du ja selbst, Anna. Es liegt nicht einmal am Schweden an sich. Auch die Katholischen machen solche Dinge. Hab dir ja erzählt, was kürzlich erst in Magdeburg geschehen ist. Keiner Frau und keinem Kind haben sie das Leben gelassen, und das auch noch auf Geheiß des frommen Tilly. Na, der hat seine Strafe dafür längst bekommen.«
Eine Ernte würde es in diesem Spätsommer nicht geben. Alle Felder waren niedergetrampelt oder niedergebrannt, selbst die Obstbäume, welche in den Gärten und an der Ausfahrtstraße zu den Wiesen und Äckern standen, waren abgeholzt und mutwillig zerstört worden. Es würde rein gar keinen Ertrag geben. Man konnte allein auf die mitfühlende Gunst des Landesvaters hoffen, und dass dieser seine Vorratsspeicher öffnete, um eine Hungersnot unter seinem ohnehin schon leidenden Volke zu verhindern.
Erst Ende Juli gelang es den Katholischen einzugreifen. Doch die Hoffnung, sie würden den Schweden Einhalt gebieten und wieder Ruhe und Ordnung in die Gegend bringen, wurde schnell zerschlagen. Denn das Einzige, was die
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