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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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so befürchtete Anna, hatte sicherlich auch schon davon probiert, denn mit jedem Mal, wenn sie ihn sah, wirkte er fremder auf sie.
    Anna fühlte sich sehr einsam.
    Der Winter verging, er hatte Tod durch Kälte, Hunger und Morden mit sich gebracht und war damit nicht ungewöhnlich verlaufen. Von dem schatten mit der Sanduhr war jedoch nichts mehr zu vernehmen gewesen. Und so hatte Anna die meiste Zeit damit verbracht zu zählen, zu warten und nach Essbarem zu suchen. Dreimal war sie von spanischen Soldaten überfallen worden, man hatte sie geschlagen, gedemütigt, ja ihr fast alle Haare ausgerissen und sie auch beinahe vergewaltigt, doch Anna hatte alle drei Male gesiegt. Dem einen hatte sie ins Bein geschossen, den anderen mit dem Dolch verjagt, und an dem Dritten war ihre kleine Axt so nah vorbeigesaust, dass auch er, am Ohr blutend, lieber das Weite gesucht hatte.
    Auch wenn sie gegen Anna nicht ankamen, eines ließen die Spanier zurück: die Pest. Sie gesellte sich zu Hunger, Kälte und Gewalt, schaffte es jedoch nicht, den schrecken zu mehren, war dessen Grenze doch bereits längst erreicht und gar überschritten worden.
    Die Kälte nahm im Februar und März weiter zu, und auch die Pest blieb. Auf ihren zahlreichen Nahrungsfeldzügen musste Anna nicht selten über die erfrorenen Körper ehedem kranker oder auch nur hungriger, bekannter oder unbekannter Personen hinwegschreiten. Begraben wurde niemand mehr.
    Auch im Tross, in dem sich noch immer der alte Mergel aufhielt, ging es den Leuten sehr schlecht. Manchmal suchte Anna ihren alten Freund auf. Er war noch magerer und ganz fahl geworden. Dennoch wollte er nicht zurück zum Hof – ihn hielt ebendas im Tross, womit Anna keine Bekanntschaft schließen wollte.
    Das einzig Positive, was Hunger, Kälte und die Pest mit sich brachten, war, dass die Gewalt weniger wurde. Die Kraft dazu fehlte, und das machte die Monate Februar und März des Jahres 1634 zu einer Zeit der verhältnismäßigen Ruhe.
    Zu dieser Zeit trug es sich zu, dass Anna an einem bitterkalten Märztag unerwarteten Besuch bekam. Sie war gerade dabei, ein kleines Feuer in dem Verschlag zu schüren, den sie sich notdürftig im Gramshuber-Stall aus Decken, Laken, Brettern und Sonstigem gezimmert hatte, als sie Schritte hörte. Mit geladener Pistole begrüßte sie den Ankömmling.
    Beinahe hätte sie ihn nicht erkannt, so sehr hatte er sich verändert. Nicht nur, dass er zum ersten Mal ungepflegt und schmutzig war. Er war zudem dürr, blass und voller Narben. Seine Haare waren geschoren, und sein Bart fehlte gänzlich. So hatte Anna den strahlenden Andreas Moosberger nicht in Erinnerung.
    Er lachte nicht, er begrüßte sie nicht, er fragte lediglich, ob sie allein sei und ob sie etwas zu essen habe.
    Anna war allein, und zu essen hatte sie auch. Schweigend musterte sie ihn. Dann ging sie an ihm vorbei und holte aus einem sicheren Versteck genug, damit er satt wurde. Die Not hatte Anna erfinderisch gemacht: Im Tross hatte sie gegen ein Bärenfell, das sie in der ehemaligen Schlafkammer der Gramshuberin gefunden hatte, einen halben Sack »Tartuffeln« bekommen. Der junge Mann, mit dem sie diesen unglaublichen Tausch abschloss, hatte offenbar nichts mit diesem enormen Schatz anzufangen gewusst. Wenige kannten sich mit den neuartigen Gewächsen aus, viele hielten sie gar für giftig. Doch dank Liese Kroll wusste Anna um den großen Wert der Knollenfrüchte und war glücklich, ein so gutes und seltenes Geschäft gemacht zu haben. Gekocht schmeckten diese Ackerfrüchte gar nicht schlecht, waren nahrhaft und machten satt.
    Immer noch schweigend, schlang Moosberger die kalten Kartoffeln in sich hinein. Anna schaute ihm dabei zu. Danach war er müde und schlief ein. Anna ließ ihn schlafen. sie wusste nicht, ob sie nun glücklich oder unglücklich war.
    Die Karriere des Andreas Moosberger war keine ungewöhnliche in diesem Krieg gewesen, es hatte andere Bauernburschen gegeben, die es zu noch höherem Ruhm gebracht hatten. Klugheit, Wandlungsfähigkeit, Geschick, Ehrgeiz und Rücksichtslosigkeit waren neben dem Glück, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein, die einzigen Voraussetzungen, um Erfolg zu haben. Es bedurfte nicht unbedingt einer adeligen Herkunft.
    Geschah einem solchen Emporkömmling jedoch ein Missgeschick, so wäre die adelige Herkunft hingegen von großem Vorteil gewesen. Einem Bauern aber verzieh man keinen Fehler. Der Fehler von Andreas Moosberger, oder besser seine größte Schwäche, waren die

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