Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
machst du, wenn du ihn nicht leiden kannst, aber dennoch was von ihm haben willst? Dann kannst du ihm doch nicht aus dem Weg gehen, wäre doch Blödsinn.«
»Ich würde böse Dinge über ihn in Erfahrung bringen und mit anderen darüber tuscheln. Ja, das würde ich machen, wenn ich jemanden nicht leiden könnte.«
Genau so etwas hatte Anna schon einmal gemacht, gerade fiel es ihr wieder ein. Und diese schmerzhafte, aber gleichzeitig Genugtuung bereitende Episode aus ihrer Vergangenheit verschaffte ihr nun in der Erinnerung mehr Zerstreuung als Mergels langweilige Erzählung über Erbstreitigkeiten.
Maria Kühne war Annas große Feindin gewesen. Das war kurz nachdem sie in das Dorf gezogen waren, sie und Friedrich, frisch vermählt und bettelarm. Friedrich hatte sich damals schnell mit einigen anderen Knechten und Landarbeitern aus dem Dorf angefreundet und war mit diesen öfters in eine dubiose Waldschenke gegangen. Ähnlich dem Etablissement, in welches sich Anna erst kürzlich von dem fremden Reiter hatte entführen lassen.
Dort, in der Waldschenke ihrer alten Heimat, hatten aus-schließlich Männer verkehrt und, vielleicht, Maria Kühne. Das war die gut gebaute, hellblonde Magd der stolzen, aber schon uralten Bäuerin Finke gewesen, welche einen der größten Höfe im Ort führte. So stolz wie ihre Herrin war auch die Kühne, ein schrecklich hochnäsiges Frauenzimmer, das am Brunnen oder nach dem Kirchgang nicht nur nicht mit Anna gesprochen, sondern sich mit ihren ihr vollkommen ergebenen Freundinnen auch offen über sie lustig gemacht hatte.
Anna hatte diese Demütigungen schweigend hingenommen, ein halbes Jahr lang. Sie hatte versucht, diesem verhassten Wesen, soweit es ging, aus dem Weg zu gehen, ihr nicht zu begegnen, um keine Beleidigungen erfahren zu müssen.
Als Anna jedoch an einem Abend, an dem Friedrich angeblich wieder mit seinen Freunden unterwegs war, dringend die Hebamme hatte aufsuchen sollen, weil die Bäuerin schulz mit ihrem vierten Kinde niederkam, da hatte sie auf dem Weg dorthin niemand anderen als ihren Friedrich mit ebendieser Maria Kühne erwischt. Sie hatten unweit einer kleinen Brücke im Gras gelegen und sich unüberhörbar aneinander erfreut. Anna hatte zunächst nur Friedrichs Stimme vernehmen können und hörte ihn Dinge sagen, die er auch ihr manchmal in bestimmten Situationen zugehaucht, die sie in solchen Momenten jedoch immer aus Anstand ignoriert hatte. Die Frau, die nun bei ihm gewesen war, hatte diese Worte ganz und gar nicht ignoriert, im Gegenteil, sie hatte sogar noch deutlichere gefunden. So deutlich, dass Anna sich furchtbar für die beiden zu schämen begonnen hatte.
Die Scham war jedoch schon bald einer schrecklichen Wut gewichen, welche die arme Anna gepackt und zu einer Tat hatte schreiten lassen, die sie sich selbst am wenigsten zugetraut hätte. Wie eine wilde Furie war sie auf das Paar zugesprungen, hatte das oben sitzende Weib von ihrem Ehemann heruntergerissen, an den Haaren bis zum Bach gezogen und mit schier übermenschlicher Kraft ins Wasser geworfen.
Während ihre Nebenbuhlerin die Böschung hinuntergefallen war, die steil in das flache und steinige Bächlein führte, hatte Anna erkannt, dass es sich bei dieser Person um ihre ohnehin ärgste Feindin Maria Kühne handelte. Das war ein zusätzlicher Stachel in ihrem Herzen gewesen, und so hatte sie sich einen Stock gegriffen und den verdutzten Friedrich unter Flüchen nach Hause geprügelt. Danach war sie wieder zurückgelaufen, um endlich ihren Auftrag, die Hebamme zu holen, zu erledigen.
Doch Maria Kühne sollte noch mehr leiden. Zwar war Anna – aufgrund ihrer schüchternheit und der Tatsache, dass sie neu im Ort war – weit davon entfernt gewesen, unter den Landarbeiterinnen und Mägden, die sich täglich in der Frühe am Brunnen versammelten, ein interessiertes Publikum zu finden. Dennoch war es ihr mit der Zeit gelungen, gezielt Gerüchte über Maria Kühne zu streuen, welche diese vollkommen kompromittierten. Das war nicht allzu schwer gewesen, denn Anna hatte es nur einer einzigen Person berichten müssen, und das war Gisela Pfahlmann, die größte Klatschbase im Dorf. Dankbar nahm diese jede Information entgegen und verstand es wunderbar, sie mit Hilfe ihrer blühenden und nicht gerade unschuldigen Fantasie ein wenig interessanter, sprich: pikanter zu machen.
So hatten sich auch in diesem Fall im Laufe weniger Tage immer größere Trauben von quasselnden, flüsternden und kichernden
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