Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
gerichtet.
In diesem Augenblick läuteten die Kirchenglocken wie jeden Morgen und erinnerten Val an ihre Schwester, die in diesem Augenblick wohlbehütet in den Mauern des Konvents sein sollte.
O Cammie … nein …
Bilder von ihrer Schwester als Kind, mit schiefen Zähnen, weit aufgerissenen Augen und Sommersprossen auf der kleinen Stupsnase, schossen ihr durch den Kopf. In ihrer Kindheit hatte Cammie die ältere Schwester vergöttert. Doch dann hatte sie sich verändert, war zu einer jungen Schönheit mit langen Beinen und attraktiven Brüsten herangewachsen, die die Aufmerksamkeit der Jungs erregte. Hohe Wangenknochen, große Augen und ein scharfgeschnittenes Kinn prägten jetzt ihr Gesicht. Ihr Mund konnte sich zu einem breiten Lächeln verziehen oder zu einer kleinen Schnute, die sie nur noch anziehender machte.
Auch ein etwas schwieriger, dunkeläugiger Junge, den Valerie kaum gekannt hatte, war von Cammie fasziniert gewesen: Reuben Montoya. Er hatte sich in den Cop verwandelt, der jetzt vor ihr stand.
Val fiel das Kinn herunter, als sie ihn erkannte. Sein großspuriges Ich-bin-ein-böser-Bube-Gebaren war verschwunden, wenngleich es Hinweise auf den Rebellen hinter der Dienstmarke gab: ein Ziegenbart, der im Department bestimmt nicht gern gesehen war, sowie ein Diamantstecker im Ohr – vermutlich wurde er auch undercover eingesetzt. Er gab gewiss einen guten Drogendealer, Zuhälter oder was auch immer ab.
Heute war er hier, um ihr die unvorstellbare Nachricht von Cammies Tod zu übermitteln, einer Frau, mit der er vor Jahren intim gewesen war.
Gänsehaut bildete sich auf ihren Armen, als sie in Montoyas hartes Gesicht blickte und versuchte, seine Gedanken zu lesen. »Sie haben meine Schwester gekannt.«
Er nickte, die Lippen so fest zusammengepresst, dass sie weiß wurden.
»Augenblick mal«, sagte Valerie mit einem Blick auf Montoyas Lederjacke, Jeans und T-Shirt. Straßenkleidung. »Detectives?« Ihre Eingeweide zogen sich zusammen. Diese Männer waren keine gewöhnlichen Streifenbeamten. »Meine Schwester ist tot, und Sie
ermitteln?
« Ihr Herz pochte wild. »Was zum Teufel ist ihr zugestoßen?«
»Bitte, Mrs. Renard«, sagte Bentz, dessen Blick zu dem Ehepaar auf der Veranda wanderte. »Lassen Sie uns das drinnen besprechen.«
»Hat es einen Unfall gegeben?«, beharrte Val. »Wo? Im Konvent?«
Doch sie konnte die Antwort an Montoyas Augen ablesen. Ihre Gedanken rasten.
»Nein, nein, es war kein Unfall.« Ihre Stimme klang heiser. »Sie ist umgebracht worden.«
Oder hat sich selbst das Leben genommen.
Doch das sprach sie nicht aus, wollte es nicht glauben, vor allem nicht die beunruhigende Tatsache, dass die letzte E-Mail von Cammie ein Hilferuf oder eine Art Abschiedsbrief gewesen sein könnte, den sie zu spät bekommen hatte.
Halte es nicht mehr aus.
Werde St. Marguerite verlassen.
Du weißt, warum.
»Du lieber Gott«, flüsterte sie und fing an zu zittern.
»Val.« Slades Stimme drang an ihr Ohr. Er pfiff nach dem Hund, führte sie zu ihrem Kutschenhäuschen und warf Montoya und Bentz einen warnenden Blick zu. »Lass uns reingehen und hören, was die Detectives zu sagen haben.«
Valerie befreite sich aus seinem Griff und riss sich zusammen. Gleichgültig, was passiert war, sie würde nicht in die Opferrolle fallen und Halt bei einem Ehemann suchen, dem sie nicht vertraute. »Ich schaffe das schon«, sagte sie und trat einen Schritt von ihm fort. »Allein.«
»Ich bin hier.«
»Ja, und warum?«, fauchte sie. »Warum ausgerechnet heute Morgen? Was ist denn das für ein Timing?«
Ohne seine Antwort abzuwarten, straffte sie die Schultern, marschierte in die Küche und warf die Fliegengittertür hinter sich zu. Einer der Cops – es war Montoya, der ihr dicht auf den Fersen folgte – fing sie auf, und die Männer folgten ihr mitsamt dem Hund durch die Küche und einen kurzen Flur entlang ins Wohnzimmer. Valerie stand vor dem kalten Kamin, den Rücken dem ruß- und aschegeschwärzten Gitter zugewandt, während die Detectives und Slade an der Wohnzimmertür stehen blieben und mit den Schuhen kaum die Kante des verblichenen Teppichs berührten.
Sie blickte auf die Karte, die sie noch zwischen den Fingern hielt, und überflog sie. Augenblicklich bestätigten sich ihre schlimmsten Befürchtungen: Rick Bentz war von der Mordkommission. Das Frösteln in ihrer Seele verwandelte sich in Eis.
»Meine Schwester ist
ermordet
worden?«, flüsterte sie und begegnete Montoyas Blick.
»Es
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