Désirée
französischer Offizier, Oberst Villatte. Ich glaube, diese Allianz mit Frankreichs Feinden wird Ihnen Ihren Aufenthalt in meinem Hause unerträglich machen. Sie haben seinerzeit um Urlaub von Ihrem Regiment angesucht, um uns zu begleiten und mir zur Seite zu stehen. Ich bitte Sie jetzt, sich von allen Verpflichtungen mir gegenüber entbunden zu fühlen.« Mein Gott, wie weh das tat. »Hoheit, ich – ich kann Sie doch jetzt nicht allein lassen«, sagte Villatte. Ich zerbiss meine Lippen, sah dann den blonden Grafen Rosen an. »Ich bin nicht allein!« Der Graf starrte an mir vorbei in eine Zimmerecke. Begriff er eigentlich, dass ich von unserem besten Freunde Abschied nehmen musste? »Graf Rosen ist zu meinem Personaladjutanten ernannt worden. Graf Rosen wird die Kronprinzessin von Schweden schützen, wenn es notwendig sein sollte«, fügte ich hinzu. Es störte mich nicht, dass Villatte die Tränen sah, die über mein Gesicht strömten. Ich reichte ihm beide Hände. »Leben Sie wohl, Oberst Villatte.«
»Hat der Marschall – ich meine, hat Seine Hoheit keinen Brief an mich gerichtet?«
»Es ist keiner angekommen, ich habe die Meldung durch die schwedische Botschaft erhalten.« Villatte sah mich ratlos an.
»Ich weiß wirklich nicht …«
»Aber ich weiß, was Sie fühlen. Sie müssen entweder um die Entlassung aus dem französischen Heeresdienst ansuchen wie Jean-Baptiste oder« – ich machte eine Bewegung zum Fenster, die Stiefel, diese ewig marschierenden Stiefel – »oder marschieren, Oberst Villatte!«
»Nicht marschieren, reiten!«, entgegnete Villatte empört. Ich lächelte unter Tränen: »Reiten Sie, Villatte, reiten Sie mit Gott! Und kommen Sie gesund wieder, ja?«
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Paris, Mitte September 1812.
I ch glaube, ich würde verrückt werden, wenn ich nicht alles aufschreiben könnte. Sprechen kann ich ja mit niemandem über meine Gedanken. Ich bin so unsagbar allein in dieser großen Stadt Paris. In meiner Stadt, wie ich sie in meinem Herzen nenne, weil ich hier schon maßlos glücklich und maßlos unglücklich gewesen bin … Julie hat mich zwar in den heißen Sommertagen nach Mortefontaine eingeladen, aber zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich ihr nicht sagen, was ich denke. Wir haben einst ein weißes Jungmädchenzimmer in Marseille geteilt. Aber jetzt schläft sie neben Joseph Bonaparte. Und Marie? Marie ist die Mutter eines Soldaten, der mit Napoleon durch Russland marschiert. Bleibt mir – lieber Himmel, wie komisch – bleibt mir nur mein schwedischer Personaladjutant als Vertrauter. Graf von Rosen, sehr nordischer Adel, blond, blauäugig und niemals aufgeregt. Schwedisch mit jeder Faser seines Herzens. Seit Jahrhunderten verblutet Schweden in seinen Kriegen gegen Russland. Jetzt hat der neue Kronprinz mit dem alten Erzfeind einen Bund geschlossen. Und der blonde Graf von Rosen versteht nicht, worum es sich handelt. Und spürt nicht, dass ich fassungslos bin. Es ist so ungeheuerlich … Sie sind erst vor ein paar Stunden gemeinsam fortgegangen: Graf Talleyrand, Fürst von Benevent und Berater des Außenministeriums, und Fouché, Herzog von Otranto und ehemaliger Polizeiminister. Übrigens kam jeder für sich, sie trafen einander nur zufällig in meinem Salon. Talleyrand erschien als Erster. Ich bin ja nicht mehr an Besuche gewöhnt, meine Freunde leben im Siegesrausch der russischen Schlachten und meiden mich. »Rufen Sie doch den Grafen von Rosen, er soll mich in den Salon begleiten«, sagte ich der Madame LaFlotte, während ich mich schnell umzog. Ich konnte mir nicht denken, was Talleyrand von mir wollte. Am helllichten Nachmittag noch dazu. Wenn er in der Dämmerung gekommen wäre, um in dem blauen Schatten des Gartens ein Glas Champagner zu trinken, dann hätte ich es gewusst … Talleyrand wartete in meinem Salon und betrachtete mit halb geschlossenen Augen das Porträt des Ersten Konsuls. Noch bevor ich ihm Graf von Rosen vorstellen konnte, wurde der Herzog von Otranto gemeldet. »Das verstehe ich nicht«, entfuhr es mir. Talleyrand zog die Augenbrauen hoch. »Verstehen Königliche Hoheit das nicht?« »Es ist so lange her, dass ich Besuch bekommen habe«, sagte ich verwirrt. »Ich lasse den Herzog von Otranto bitten.« Fouché war sichtlich unangenehm überrascht, Talleyrand bei mir zu finden. Er blähte die Nasenlöcher auf und säuselte: »Ich freue mich, dass Hoheit Gesellschaft haben. Ich fürchtete nämlich, dass Hoheit sehr einsam sein würden.«
»Ich war sehr
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