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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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vermutete, daß dort normalerweise die Flinte stand,
die Entragian auf ihn gerichtet hatte.
»Gottverdammtes Scheißspiel!« rief er und trat in den
Schrank. Er plazierte seine Füße auf beiden Seiten der sitzenden Leiche, aber das machte ihn äußerst nervös; einmal hatte
ihm eine Frau einen geblasen, die genau in dieser Haltung an
der Wand eines Schlafzimmers gesessen hatte. Bei einer Party
in Easthampton. Spielberg war dort gewesen. Joyce Carol Oates auch.
Er wich zurück, stellte einen Fuß auf eine Schulter der Toten
und schob. Der Leichnam der Frau rutschte langsam und
träge nach rechts. Ihre großen roten Augenhöhlen schienen
ihn mit einem überraschten Ausdruck anzusehen, während
sie kippte, als könnte sie nicht fassen, daß ein kultivierter
Mann wie er, ein Gewinner des National Book Award, um
Gottes willen, sich erdreistete, einer Lady in einem Schrank
einen Schubs zu versetzen. Haare blieben an der Rückwand
haften und wehten hinter ihr her.
»Entschuldigung, Ma’am«, sagte er, »aber so ist es für uns
beide besser, glauben Sie mir.«
Die Gewehre wurden von einem Kabel gehalten, das durch
die Abzugsbügel gespannt war. Das Kabel war durch eine Öse
an der Seite des Kastens gezogen und mit einem Vorhängeschloß gesichert. Johnny hoffte, daß er hier mehr Glück als bei
dem Kästchen mit der Ruger haben und den passenden
Schlüssel finden würde.
Der dritte Schlüssel, mit dem er es versuchte, paßte in das
Vorhängeschloß. Johnny zog das Kabel mit einem Ruck aus
den Abzugsbügeln, so daß eins der Gewehre - eine Remington Kaliber .30-06 - herausfiel. Er fing es auf, drehte sich um…
und die Frau, Mary, stand direkt vor ihm. Johnny stieß ein ersticktes Piepsen aus, das wahrscheinlich ein Schrei geworden
wäre, wenn er nicht solche Angst gehabt hätte. Sein Herz blieb
stehen, und eine ganze Weile war er überzeugt, daß es nicht
wieder zu schlagen anfangen würde; er wäre vor Angst gestorben, noch ehe er auf die Tote mit der Seidenbluse fiel.
Dann setzte es, Gott sei Dank, wieder ein. Er schlug sich mit
der Faust auf die Stelle über der linken Brustwarze (eine
Stelle, die einmal hart gewesen war, jetzt aber nicht mehr), um
der alten Pumpe darunter zu zeigen, wer der Boß war.
»Machen Sie das nie wieder«, sagte er zu Mary, wobei er
versuchte, nicht zu schnaufen. »Was ist in Sie gefahren?«
»Ich dachte, Sie hätten mich gehört.« Sie schien nicht eben
großes Mitgefühl zu empfinden. Sie hatte eine Golftasche,
ausgerechnet eine Golftasche, über die Schulter gehängt. Eine karierte Golftasche. Sie betrachtete den umgekippten Leichnam im Schrank. »Im Schrank des Feuerwehrhauptmanns
liegt auch ein Toter. Ein Mann.«
»Was hatte er für ein Handicap, haben Sie eine Ahnung?«
Sein Herz galoppierte immer noch, aber möglicherweise nicht
mehr ganz so schnell.
»Sie können es nicht lassen, was?«
»Scheiße, Mary, ich versuche, es mit Humor zu nehmen, damit ich nicht tot umfalle. Jeder Martini, den ich in meinem Leben getrunken habe, ist mir eben aufs Herz geschlagen. Herrgott, haben Sie mir einen Schrecken eingejagt.«
»Tut mir leid, aber wir müssen uns beeilen. Er könnte jeden
Moment zurückkommen.«
»Auf die Idee war ich von selbst nie gekommen. Hier, nehmen Sie das. Aber seien Sie vorsichtig.« Er gab ihr die .30-06
und mußte an einen alten Tom-Waits-Song denken. Black crow
Shells from a .30-06, sang Waits in seiner geraspelten und irgendwie dämonischanmutenden Stimme. Whittle you into
kindlin’.
    »Wie vorsichtig? Ist es geladen?«
»Ich weiß nicht mal mehr, wie man das überprüft. Ich bin in
Vietnam gewesen, aber als Journalist. Das ist jedenfalls lange
her. Seitdem hab ich nur noch im Kino gesehen, wie Waffen
abgefeuert wurden. Wir sehen uns die Gewehre später genauer an, okay?«
Sie steckte es zaghaft in die Golftasche. »Ich hab zwei Taschenlampen gefunden. Sie funktionieren beide. Eine hat
einen langen Griff. Sehr hell.«
»Gut.« Er gab ihr die Taschenlampe, die er gefunden hatte.
»Die Tasche hing an der Rückseite der Tür«, sagte Mary und
warf die Taschenlampe hinein. »Der Feuerwehrhauptmann …
wenn er es war … nun, einer der Schläger steckte in seinem
Kopf. Ganz schön tief. Er war quasi… daran aufgespießt.«
Johnny nahm noch zwei Gewehre und eine Flinte von dem
Ständer und drehte sich mit den Waffen im Arm um. Falls sich
in dem Walnußding unter dem Regal Munition befand, wie er
vermutete, war alles gut; ein Gewehr oder eine Flinte für jeden Erwachsenen. Der

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