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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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über Stirn und Wangen
und brannte in ihren Augen. Dann drückte das Ding auf ihrer
Hand sie auf obszöne Weise und verschwand. Sie konnte
hören, wie es mit einem klackernden Geräusch über den Tisch
kroch. Sie bewegte die Hand wieder und widersetzte sich der
schreienden Aufforderung ihres Verstands, sie zurückzuziehen. Wenn sie das tat, was dann? Sollte sie zitternd hier in der
Dunkelheit stehenbleiben, bis die verstohlenen Geräusche
ringsum sie in den Wahnsinn trieben und sie in ihrer Panik im ‘
Kreis herumlief, bis sie irgendwo dagegen stieß und wieder
bewußtlos wurde?
Da stand ein Teller - nein, eine Schüssel - mit etwas darin.
Geronnene Suppe? Ihre Finger tasteten daneben herum, sie
fand einen Löffel. Ja, Suppe. Sie tastete weiter, berührte einen
Salz- oder Pfefferstreuer, dann etwas Weiches und Schlappes.
Plötzlich fiel ihr ein Spiel ein, das sie in Mamaroneck bei
Schlummerpartys gespielt hatten, als sie noch ein Kind war.
Ein Spiel, das im Dunkeln gespielt wurde. Man reichte Spaghetti herum und sang dazu: Das ist des toten Mannes Gedärm, man reichte kalte Götterspeise herum und sang: Das ist des toten Mannes Gehirn.
Sie berührte etwas Hartes, Zylinderförmiges mit der Hand.
Es fiel mit einem Scheppern um, das sie sofort erkannte… jedenfalls hoffte sie es: Batterien in einer Taschenlampe.
Bit te, lieber Gott, dachte sie und tastete danach. Bitte mach,
daß es ist, wonach es sich anfühlt.
Das Klappern von draußen ertönte wieder, aber sie hörte es
kaum. Sie berührte mit der Hand ein Stück kaltes Fleisch (das ist des toten Mannes Gesicht)
aber sie spürte es kaum. Das Herz schlug ihr in der Brust,
im Hals, sogar in den Schläfen.
Da! Da!
Kaltes, glattes Metall, das versuchte, sich ihrem Griff zu entwinden, aber sie packte es mit aller Kraft. Ja, eine Taschenlampe; sie konnte den Schalter an dem Hautfältchen zwischen
ihrem Daumen und Zeigefinger spüren.
Und jetzt mach, daß sie funktioniert, lieber Gott. Bitte, okay? Sie drückte auf den Schalter. Ein Lichtkegel war mit einem
Mal da, und der hämmernde Herzschlag in ihren Ohren setzte
einen Moment aus. Alles setzte einen Moment aus.
Der Tisch war lang, an einem Ende lagen Laborausrüstung
und Gesteinsproben, das andere Ende war mit einem karierten Tischtuch bedeckt. An diesem Ende standen, wie bei
einem Essen, eine Suppenschüssel, ein Teller, Besteck und ein
Wasserglas. Eine große schwarze Spinne war in das Wasserglas gefallen und kam nicht mehr heraus; sie zappelte und
mühte sich vergebens. Ab und zu konnte man das rote Stundenglas auf ihrem Bauch erkennen. Andere Spinnen, überwiegend ebenfalls Schwarze Witwen, krabbelten auf dem
Tisch herum. Dazwischen Felsenskorpione mit auf
dem
Rücken gekrümmten Stacheln, die wie Parlamentarier herumstolzierten. Am Ende des Tischs saß ein großer, kahler
Mann in einem T-Shirt der Diablo Mining Corporation. Man
hatte ihm aus kurzer Entfernung in den Hals geschossen. Die
Masse in der Schüssel, die sie mit den Fingern berührt hatte,
war keine Suppe, sondern das geronnene Blut des Mannes.
Marys Herz begann wieder zu schlagen und jagte ihr das
Blut wie ein Kolben in den Kopf, und auf einmal wurde der
gelbe Lichtkegel der Taschenlampe rötlich und flackernd. Sie
hörte ein hohes, schrilles Singen in den Ohren.
Werd nicht ohnmächtig, wage es nicht
Sie schwenkte den Lichtstrahl nach links. In der Ecke befand sich ein verschlungenes Nest von Klapperschlangen unter einem Poster mit der Aufschrift: LOS DOCH, VERBIETET
DEN BERGBAU, SOLLEN DIE ARSCHLÖCHER DOCH IM
DUNKELN ERFRIEREN! Sie leuchtete an der Metallwand
entlang, über ganze Versammlungen von Spinnen hinweg
(manche der Schwarzen Witwen, die sie sah, waren so groß
wie ihre Hand), und sah noch mehr Klapperschlangen in der
anderen Ecke. Ihre Tagesträgheit war dahin, sie wanden sich
durcheinander und bildeten Muster, Schlingen, Kleeblätter,
Doppelschleifen, und ab und zu klapperten sie mit den
Schwänzen.
Nicht ohnmächtig werden, nicht ohnmächtig werden, nicht ohnmächtig
Sie drehte sich mit der Taschenlampe herum, und als das
Licht auf die drei anderen Leichen in dem Raum fiel, wurde
ihr mehreres gleichzeitig klar. Die Tatsache, daß sie den Ursprung des schlechten Geruchs entdeckt hatte, war das
Geringste davon.
Die Toten am Boden neben der Wand befanden sich in
einem fortgeschrittenen Zustand der Verwesung und wimmelten von Maden, aber sie waren nicht einfach nur hingeworfen worden. Sie lagen nebeneinander und waren vielleicht sogar

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