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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Eindruck
- möglicherweise bildete sie es
sich nur ein, doch das glaubte sie nicht - von verstohlenen Bewegungen rings um sie herum. Ein Rascheln von links. Ein
Schleifen von rechts. Plötzlich ertönte ein leises Kratzen hinter
ihr und verstummte wieder, noch ehe sie schreien konnte. Das letzte war nichts Lebendiges, sagte sie sich. Jedenfalls
glaube ich das nicht. Ich glaube, es war eine Windhexe, die auf Metall getroffen und darüber gerutscht ist. Ich glaube, ich bin
irgendwo in einem kleinen Gebäude. Sie hat mich in einem kleinen
Gebäude eingesperrt, und der Kühlschrank ist ausgefallen, genau
wie das Licht, und alles darin ist verdorben.
    Aber wenn Ellen wirklich Entragian in einem neuen Körper
war, warum hatte er/sie sie dann nicht einfach wieder in die
Zelle gesteckt, in die er sie zu Beginn gesteckt hatte? Weil
er/sie fürchtete, die anderen könnten sie finden und wieder
rauslassen? Diese Erklärung klang so plausibel wie alle anderen, die ihr einfielen, und wenigstens enthielt sie ein
Fünkchen Hoffnung. Mary klammerte sich daran und setzte
sich mit ausgestreckten Armen langsam vorwärts in Bewegung
Ihr kam es vor, als ginge sie lange Zeit so - Jahre. Sie rechnete ständig damit, daß etwas anderes sie berührte, und
schließlich war es soweit. Es lief über ihren Schuh. Mary erstarrte. Schließlich ging es wieder seines Weges. Aber was
folgte, war noch viel schlimmer: ein leises, trockenes Klappern, das von links vorne aus der Dunkelheit kam. Soweit sie
wußte, gab es nur ein Tier, das so klapperte. Das Geräusch
hörte nicht auf, sondern schien vielmehr abzusterben wie das
Zirpen einer Grille an einem heißen Augustnachmittag. Das
leise Kratzen stellte sich wieder ein. Diesmal war sie überzeugt, daß es sich um eine Windhexe handelte, die über Metall
glitt. Sie befand sich in einem Bergwerksgebäude, möglicherweise in der Nissen-Hütte, wo Steve und das Mädchen
mit der wilden Frisur, Cynthia, die kleine Statue aus Stein
gesehen hatten, die sie mit solcher Angst erfüllt hatte.
Beweg dich.
Ich kann nicht. Es ist eine Klapperschlange hier drinnen. Vielleicht mehr als eine. Wahrscheinlich mehr als eine.
Aber das ist nicht alles hier drinnen. Du solltest dich besser in
Bewegung setzen, Mann.
Ihre Handfläche pochte heftig, wo das Ding aus ihrem Haar
aufgeplatzt war. Ihr Herzschlag dröhnte ihr in den Ohren. So
langsam sie konnte, tastete sie sich wieder mit ausgestreckten
Händen vorwärts. Schreckliche Vorstellungen und Bilder
begleiteten sie. Sie sah eine Schlange, so dick wie ein Überlandkabel, mit weit aufgerissenem Maul und züngelnder gespaltener Zunge vor sich von einem Balken hängen. Sie
würde direkt hineinlaufen und es erst merken, wenn die
Schlange ihr ins Gesicht baumeln und ihr das Gift direkt in die
Augen spritzen würde. Sie sah das Schreckgespenst ihrer
Kindheit, eine Spukgestalt, die sie aus unerfindlichen Gründen Apple Jack genannt hatte, mit verschrumpeltem Obstgesicht grinsend in der Ecke sitzen und darauf warten, daß sie in
seine tödliche Umarmung hineinlief; als letztes würde sie sein
Cidre-Aroma riechen, das im Moment vom Fäulnisgeruch
überlagert wurde, während er sie zu Tode drückte und dabei
die ganze Zeit ihr Gesicht mit feuchten, schmatzenden Onkelküssen bedeckte. Sie sah einen Puma, wie er den armen alten
Tom Billingsley getötet hatte, in einer Ecke lauern. Sie sah Ellen, die einen Haken in einer Hand hielt und ein schmales,
lauerndes Lächeln lächelte, das selbst etwas von einem Haken
hatte, und einfach abwartete, bis Mary nahe genug zum Aufspießen war.
Vor allem aber sah sie Schlangen.
Klapperschlangen.
Ihre Finger berührten etwas. Sie stöhnte auf und wäre um
ein Haar zurückgesprungen, aber das waren nur die Nerven;
das Ding war hart, leblos. Eine gerade Kante in Höhe ihrer
Hüfte. Ein Tisch? Mit einem Wachstuch darauf? Das hielt sie
für wahrscheinlich. Sie strich mit den Fingern darüber und
zwang sich, ruhig zu bleiben, als eines der krabbelnden Wesen sie berührte. Es kroch über ihren Handrücken zum Handgelenk, mit ziemlicher Sicherheit eine Art Spinne, und war
schon wieder fort. Sie tastete weiter, und da war noch etwas,
das sie begutachtete, weitere Fauna, wie Audrey sich ausgedrückt hatte. Keine Spinne. Dieses Ding, was immer es sein
mochte, hatte Krallen und eine harte Oberfläche.
Mary zwang sich, stillzuhalten, konnte aber nicht ganz ruhig bleiben; sie stieß ein leises, verzweifeltes Stöhnen aus.
Schweiß lief ihr wie warmes Motoröl

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