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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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der Cop von
dem Motorrad zurück und betrachtete es, als versuche er zu
entscheiden, ob er genug in Sachen Tarnung getan hatte. Auf
dem schmutzigen, papierübersäten Rücksitz des Streifenwagens fing Johnny Marinville an zu weinen. Er konnte nicht anders. Auf eine bizarre Weise war es, als würde er sich wieder
die Hose naß machen, nur von oben. »Nein«, flüsterte er
durch das staubige Glas. »Nein, noch nicht, du bist noch nicht
fertig, nicht bei dem Wind, du solltest besser noch etwas mehr
drüberschaufeln, bitte noch ein bißchen mehr.«
Der Cop stand da, sah auf das Motorrad hinunter, sein
Schatten schien jetzt eine halbe Meile in die Wüste hineinzuragen, und Johnny beobachtete ihn durch den unteren Rand
der Scheibe, während ihm das verfilzte Haar ins Gesicht hing
und er das Telefon fest ans rechte Ohr drückte. Er stieß einen
langen, zittrigen Seufzer der Erleichterung aus, als der Cop
nach vorne trat und wieder Sand hochkickte, diesmal über
den Lenker der Harley.
Er hörte das Telefon läuten, und jetzt kam das Geräusch wie
aus weiter Ferne und wurde von Rauschen überlagert. Wenn
das Signal durchkam - und dieses Läuten schien darauf hinzudeuten, daß es so war -, würde in diesem Augenblick ein
anderes Telefon von Motorola klingeln, das am Armaturenbrett eines Ryder-Busses irgendwo zwischen fünfzig und
zweihundertfünfzig Meilen östlich von John Edward Marinvilles derzeitiger Position befestigt war.
In der Wüste kickte der Cop immer weiter Sand hoch und
begrub den Lenker von Johnnys Mühle.
Zweimal läuten … dreimal… viermal…
Es würde noch einmal, höchstens zweimal läuten, bevor
sich eine andere Automatenstimme melden und ihm mitteilen
würde, daß der Handybesitzer, den er anzurufen versuchte,
entweder außer Reichweite war oder sein Fahrzeug verlassen
hatte (die Handy-Technik, hatte er festgestellt, war förmlich
überschwemmt von Automatenstimmen). Johnny, der immer
noch weinte, machte die Augen zu. In der pulsierenden, rotgetönten Dunkelheit hinter seinen Augen sah er den RyderKleinbus gerade diesseits der Grenze zwischen Utah und Nevada vor einer Tankstelle oder einem Gemischtwarenladen
parken. Steve befand sich im Inneren, kaufte seine stinkenden
Zigarren und schäkerte mit der Kassiererin, während am Armaturenbrett des Ryder das Handy - Steves Hälfte der Verbindung, auf der Johnnys Agent bestanden hatte - in der leeren Fahrerkabine läutete.
Fünfmal…
Und dann hörte er, fern und fast von statischem Rauschen
überlagert, aber trotzdem wie die Stimme eines Engels, den
tonlosen texanischen Akzent von Steve Ames: »Hallo… Sie…
Boss?«
Ein Sattelschlepper rauschte Richtung Osten vorbei und
schüttelte den Streifenwagen in seinem Luftsog durch. Johnny
bemerkte es kaum und unternahm keinen Versuch, den Fahrer
auf sich aufmerksam zu machen. Wahrscheinlich hätte er das
nicht einmal versucht, wenn er sich nicht auf das Telefon und
Steves kaum verständliche Stimme konzentriert hätte. Die Kiste hatte mindestens siebzig drauf. Was, zum Teufel, sollte der
Fahrer in den zwei Zehntelsekunden sehen, die er brauchte,
um an dem parkenden Streifenwagen vorbeizufahren, besonders durch die dicke Staubschicht auf den Fenstern?
Er holte tief Luft durch die Nase und zog dabei Blut mit
hoch, ohne Rücksicht auf die Schmerzen, weil er wollte, daß
seine Stimme so deutlich wie möglich klang.
»Steve! Steve, ich stecke in Schwierigkeiten! In großen Schwierigkeiten!«
Es rauschte und knisterte laut in seinem Ohr, und er war
sicher, daß er Steve verloren hatte, aber als es vorbei war, hörte
er:»… mit Ihnen? Bitte wiederholen!«
»Steve, hier ist Johnny! Können Sie mich hören?«
«… höre Sie… was für …« Erneutes Rauschen. Es übertönte
das nächste Wort fast vollständig, aber Johnny glaubte, daß es
»Schwierigkeiten« gewesen sein könnte. Ich höre Sie, in was für
Schwierigkeiten?
Lieber Gott, bitte laß es nicht nur Wunschdenken sein. Bitte, lieber Gott.
Der Cop hörte wieder auf, Sand zu kicken. Er trat zurück,
um einen weiteren kritischen Blick auf sein Werk zu richten,
dann drehte er sich um und ging mit gesenktem Kopf, so daß
sein Gesicht im Schatten der Hutkrempe lag, und tief in die
Hosentaschen gesteckten Händen zur Straße zurück. Und da
bemerkte Johnny voller Entsetzen, daß er keine Ahnung hatte,
was er Steve sagen sollte. Er hatte seine ganze Aufmerksamkeit darauf konzentriert, die Verbindung herzustellen, sie,
falls erforderlich, durch reine Willenskraft

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