Desperation
Hoffte es.
Wäre besser, wenn ich recht habe. Wäre besser, wenn ich recht
habe, sonst
Er trug ein T-Shirt der Cleveland Indians. Das zog er aus
und ließ es neben der Zellentür fallen. Als er aufschaute, sah
er, wie ihn der Kojote betrachtete. Er hatte die zotteligen Ohren wieder gespitzt, und David glaubte, daß er ihn knurren
hören konnte, leise und tief in der Kehle.
»Mein Sohn?« fragte sein Vater. »Was tust du da?«
Ohne zu antworten, setzte sich David ans Fußende der Pritsche, zog die Turnschuhe aus und warf sie zu dem T-Shirt.
Nun bestand kein Zweifel mehr daran, daß der Kojote knurrte.
Als wüßte er, was David vorhatte. Als wollte er ihn daran hindern, falls er es tatsächlich versuchte.
Sei nicht albern, natürlich will er dich daran hindern, falls
du es versuchst; weshalb hätte der Cop ihn sonst hierlassen sollen? Du mußt einfach Vertrauen haben. Vertrauen haben und
glauben.
»Glauben, daß Gott mich beschützen wird«, murmelte er.
Er stand auf, öffnete den Gürtel und hielt mit den Fingern
am Druckknopf seiner Jeans inne. »Ma’am?« sagte er. »Mrs.
Jackson?« Sie sah ihn an, und David spürte, wie er errötete.
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, sich umzudrehen?« sagte
er. »Ich muß die Hose ausziehen, und ich glaube, ich ziehe die
Unterwäsche besser auch aus.«
»Was, in Gottes Namen, hast du vor?« fragte sein Vater.
Nun schwang Panik in seiner Stimme mit. »Was immer es ist/
ich verbiete es! Keine Widerrede!«
David antwortete nicht, sondern sah nur Mary an. Sah sie so
unverwandt an wie der Kojote ihn. Sie erwiderte seinen Blick,
dann drehte sie ihm wortlos den Rücken zu. Der Mann in der
Motorradjacke saß auf seiner Pritsche, kaute seinen Life Saver
und beobachtete ihn. David war so schüchtern wie die meisten
Elfjährigen, und der feste Blick machte ihn nervös … aber wie
er sich schon klargemacht hatte, er konnte es sich nicht leisten,
albern zu sein. Er warf noch einen Blick auf das Stück Irischer
Frühling, dann zog er die Hose und die Unterhose aus.
4
»Hübsch«, sagte Cynthia. »Ich meine, das hat echt Stil.«
»Was?« fragte Steve. Er saß nach vorne gebeugt und behielt
die Straße sorgfältig im Auge. Sand und Windhexen wurden
darübergeweht, und das Fahren war kompliziert geworden.
»Das Schild. Sehen Sie es?«
Er sah hin. Das Schild, auf dem ursprünglich DIE KIRCHLICHEN & WELTLICHEN ORGANISATIONEN VON DESPERATION BEGRÜSSEN SIE! gestanden hatte, war von einem
Witzbold mit einer Spraydose verändert worden; nun lautete
die Inschrift: DIE TOTEN HUNDE VON DESPERATION BEGRÜSSEN SIE! Ein Seil, an einem Ende ausgefranst, wehte im
Wind hin und her. Aber der alte Schäferhund war verschwunden. Die Geier hatten sich zuerst bedient, dann waren die
Kojoten gekommen. Hungrig und ohne jeden Skrupel, einen
Vetter ersten Grades zu verspeisen, hatten sie das Seil durchgebissen und den Kadaver des Schäferhunds fortgeschleppt,
nicht ohne sich zwischendurch untereinander zu streiten und
zu balgen. Die Reste (hauptsächlic h Knochen und Krallen) lagen hinter der nächsten Anhöhe. Der wehende Sand würde
sie schon bald zudecken.
»Mann, die Leute hier müssen echte Scherzkekse sein«,
sagte Steve.
»Das müssen sie«. Sie zeigte nach rechts. »Halten Sie da.«
Es handelte sich um eine rostige Nissen-Hütte. Ein Schild davor trag die Aufschrift DESPERATION MINING CORP. Auf
dem Parkplatz davor standen einige Autos und Lastwagen.
Er fuhr rechts ran, aber nicht auf den Parkplatz, jedenfalls
noch nicht. Der Wind wehte jetzt stetiger, die Böen verschmolzen allmählich zu einem konstanten Blasen. Die Sonne
im Westen bildete eine surrealistische orangerote Scheibe
über den Desatoya Mountains, flach und aufgebläht wie ein
Foto des Planeten Jupiter. Irgendwo in der Nähe konnte Steve
ein schnelles, regelmäßiges Klicker-klicker-klicker hören, wahrscheinlich das Geräusch eines Halteclips aus Stahl, der gegen
einen Flaggenmast schlug.
»Was haben Sie vor?« fragte er sie.
»Rufen wir von hier aus die Cops. Da sind Leute drin; sehen
Sie das Licht?«
Er warf einen Blick zu der Nissen-Hütte und sah fünf oder
sechs goldene Rechtecke Helligkeit am hinteren Teil des Gebäudes. In der staubigen Düsternis sahen sie wie die beleuchteten Fenster eines Eisenbahnwaggons aus. Er wandte sich
achselzuckend wieder an Cynthia. »Warum von hier, wo wir
doch einfach ins hiesige Revier fahren könnten? Der Ortskern
- was man hier so nennt - kann nicht mehr weit weg sein.«
Sie rieb sich mit der Hand über
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