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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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Erpressungen. Also, ich habe das vermerkt. Ich geb's weiter!«
    »Aber hören Sie! Hier geht es um einen 200-Passagier-Jumbo!«
    »Ich verstehe! Natürlich, ja!« entgegnete der Beamte geduldig. »Gestern abend hatten wir hier einen Anruf von einem Mann, der sich als ›Maravishnu der Dritte‹ bezeichnet. Er wähnte sich nicht nur im Besitz der Atombombe – er hatte auch den sechsten oder siebenten – oder was weiß ich wievielten – Blick.«
    »Aber …«
    »Und jetzt kommt noch diese Flughafenprotestaktion hinzu! Ehrlich gesagt: Wir hatten es noch schlimmer erwartet.«
    »Aber hier geht es doch um die ganz konkrete Drohung gegen ein Flugzeug, das heute morgen gestartet ist!«
    »Natürlich. Ich habe das alles ja auch gewissenhaft notiert! Eingang Ihrer Meldung: zwölf Uhr zweiunddreißig!«
    »Danke!« sagte Gundolf tonlos und legte auf.
    Die Boeing 727 flog dann erfolgreich und gewinnbringend für ›Avitour‹; so wurde, mitunter, Luftfahrt- und Wirtschaftspolitik getrieben in Deutschland. Dazu allerdings bedurfte es eines unschuldigen, unwissenden Genies wie Quandt.
    Freilich: er mußte auch Niederlagen einstecken. In Amerika hatte er das unkonventionelle Gebahren der ›Braniff‹, Airlines studiert: Sie malte ihre Vögel in den unterschiedlichsten, grellsten Farben an. Vermillonrot, lindgrün, kanariengelb. Sie verstieß damit gegen den ehernen Grundsatz, man müsse ein Image durch Beharrlichkeit und Wiederholung immer gleichbleibender Symbole aufbauen. Sie geriet mit diesem Verstoß aus den roten Zahlen; und Quandt versuchte zwei Jahre lang verbissen, dieses Erfolgssystem auf seine Flotte zu übertragen – und biß schmählich ins Gras. Die deutschen Luftreisenden erwarteten von ihrer Urlaubs-Airline keine poppigen Gags, sondern Seriosität. Seriosität bürgte für Fachkönnen, die poppigen Knallfarben hingegen ließen den Verdacht aufkommen, im Cockpit steuerten Hippies den Riesenvogel ins Wolkenwunderland. Die Umspritzarbeiten kosteten Quandt ein Vermögen; seit jener Zeit fiel bei ihm oft das Wort von den humorlosen Deutschen, die nie begreifen würden, daß hohes Fachkönnen auch mit Lustigkeit gepaart sein konnte.
    Das Gute an Quandt war: Er ließ sich durch derartige Mißerfolge nie in seiner unbekümmerten Naivität stören, so daß seine seltsamen Entschlüsse letzten Endes doch auf der ›Haben‹- Seite zu Buche schlugen.
    Thomas klagte einmal, er sei offenbar der einzige Mensch aus der großen Kette des Bodenpersonals, der jemals ein Cockpit von innen gesehen habe und etwas von den fliegerischen Vorgängen verstehe. Er wollte damit nicht sich selber herausheben; er wollte auf die Krankheit aller Airlines aufmerksam machen: auf die absolute Beziehungslosigkeit der Verwaltung und des Managements zur praktischen Fliegerei.
    »Na«, entgegnete damals Quandt auf die Klagen Gundolfs.
    »Welche großartigen Erkenntnisse glauben Sie denn aus Ihrem unmittelbaren Umgang mit den Piloten gewonnen zu haben?«
    »Zum Beispiel …«, Thomas setzte zu einer längeren Ausführung an; und Quandt, in seinem Direktorenzimmer, unterbrach ihn:
    »Cognac? Whisky? Einen Martini? Ich mixe ihn selber leidlich gut …«
    »Cognac!« erwiderte Thomas prompt.
    Damit hatte er bei Quandt für alle Zeiten gesiegt. Jeder Waschlappen und Speichellecker, dachte Quandt, hätte meinen Martini verlangt und ihn für ausgezeichnet gemixt befunden – das Dreckzeugs!
    Gundolf erkannte als erster, daß er gegenüber den Piloten, deren Tätigkeit nicht nur den siebentausend ›Avitour ‹-Angestellten, sondern auch den 40.000 des Rhein-Main-Flughafens Arbeit und Brot und Daseinsberechtigung verschaffte, ein winziges Licht war. Laien, die durch die Werbung auf das unantastbare Image des Kapitäns programmiert worden waren und glaubten, ihr Stellenwert sei auch im internen Bereich der gleiche wie in der Werbung, konnten Gundolfs Verteidigungen der Piloten nie verstehen: Er renne offene Türen ein.
    In diesem Sinne waren auch die Reaktionen der alten Flugdienstzentrale. Da kam ein Pilot mit anderthalb Stunden Treibstoffreserven nach einem Afrika-Flug über Frankfurt an und erfuhr, daß sein Zielflughafen wegen Nebel geschlossen sei. Er wählte die Gesellschaftsfrequenz der ›Avitour‹, hängte sich ans Mikrofon und fragte an:
    »Guten Morgen, Avi! Wohin möchten Sie denn, daß ich ausweiche, falls ich nicht reinkomme? Nach Köln, Stuttgart oder Düsseldorf – wegen der Anschlüsse.«
    »Guten Morgen! Wieso:

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