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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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eines Kindes, das seine Weihnachtswünsche bekanntgibt. Und als einer der Aufsichtsratsvorsitzenden so etwas wie einen Satz zu formulieren anhob, kam ihm Quandt zuvor: »Ich will Ihnen sagen, warum: Der Flieger erinnert mich an die gute alte Tante Ju. Die war auch dreimotorig; und eine Ju-52 hat mir damals das Leben gerettet, als sie mich, schwerverwundet, aus Stalingrad ausflog. Das werde ich ihr nie vergessen, der Dreimotorigen!«
    Irgendwer unter den Schweigenden begann:
    »Aber Herr Quandt, wir können natürlich gern noch mal die Daten für die dreistrahlige ›Trident‹ überprüfen …«
    »Nicht die ›Trident‹, Herr von Stolp!« unterbrach Quandt und starrte sinnend auf das Foto. »Die mag ich nicht, mit ihrem asymmetrischen Bugrad und ihrem British Styling. Diese Sieben-Zwo-Sieben, die strahlt so etwas wie Vertrauen aus. Die möchte ich!«
    Jetzt brach eine irrsinnige Kakophonie von erregten Stimmen aus, in der vom Wirtschaftlichkeitskoeffizienten, von Optimalhöhe, Zuwachsgradienten, Kilometerpassagiertonnen und immer wieder von der Arroganz der Firma Boeing die Rede war, keine wie auch immer gearteten Zugeständnisse finanzieller Art zu machen; sie hatte das einfach nicht nötig.
    »Offenbar haben die anderen es durchaus nötig!« warf Quandt schlicht ein. »Also: die Sieben-Zwo-Sieben – oder gar keine!«
    Der Finanzmann, den Quandt als Verbindungsmann zur Dresdner Bank eingesetzt hatte, versuchte mühsam, sich auf das Niveau seines Chefs hinunterzubegeben und das ABC der Finanzierungspolitik einem I-Männchen beizubringen:
    »Herr Quandt: Die Sieben-Zwo-Sieben ist nicht nur zu teuer; sie ist vor allem zu groß. In Deutschland schießen Chartergesellschaften wie Unkraut aus dem Boden. Der Zuwachs pro Teilhaber am Luftverkehr, selbst unter den günstigsten Umständen, liegt …«
    Quandt war an den Zahlen gar nicht mehr interessiert:
    »Die können noch rascher pleite gehen, als sie aus dem Boden schießen. Haben Sie das auch berücksichtigt, Kessler?«
    Immer, wenn Leute wie Kessler in die Enge getrieben wurden, zogen sie sich auf die Automation zurück:
    »Die IBM-Computer haben das alles exakt errechnet und ausgespuckt …«
    »Sie spucken immer das aus, was vorher hineinprogrammiert wurde, Kessler! Können Sie nicht mal ein bißchen Optimismus hineinprogrammieren lassen? Und Liebe zur Sieben-Zwo-Sieben? Und einen Hauch von Nostalgie – für die gute alte Ju?« Und als Kessler sich, um Verständnis heischend und peinlich berührt, im illustren Kreis der Bankleute und Wirtschaftsexperten umsah: »Ich gebe Ihnen einen guten Rat: Treten Sie Ihrem Computer kräftig in den Arsch und geben Sie ihm drei Wochen Erholungsurlaub!«
    Sprach's, packte geradezu liebevoll sein Foto ein, erhob sich und verschwand.

6
    »Ihre Frau ist an Bord?« wiederholte Ulla Voorst ungläubig.
    »Sie meinen: als Passagier? Ihre Frau fliegt doch gar nicht mehr?«
    »Sie hat sich für ein halbes Jahr zur Verfügung gestellt.« Gundolf sprach sehr leise, als schäme er sich, ein Geheimnis verraten zu haben. »Als Aushilfspurserette. Es ist ihr erster Flug, nach sechs Jahren!«
    Ulla biß sich nervös auf die Unterlippe.
    »O verdammt, das ist hart, nicht?«
    Gundolf riß sich zusammen; er zuckte die Schultern.»Wir werden es überstehen!« Und als wolle ihn jemand persönlich für die Bombendrohung verantwortlich machen, erläuterte er: »Schließlich ist nichts geschehen. Jetzt müßte die Zweitausend in der Gegend von Zürich sein. Alles verläuft planmäßig!«
    Aber niemand war weniger als er von der Planmäßigkeit des Bermuda-Fluges überzeugt. Bei jeder Meldung, die über Telex oder Fernsehmonitor einlief, zuckte er zusammen. Welche Möglichkeiten hatte er, diesen gefährdeten Flug nach allen Seiten abzusichern?
    Er ließ sich mit dem Flughafen-Polizeirevier verbinden. Ob sich Anhaltspunkte wegen der Bombenwarnung ergeben hätten? Der diensttuende Inspektor fragte unwirsch zurück:
    »Was für eine Bombenwarnung?«
    Gundolf schaltete sofort. Quandt hatte die Meldung gar nicht weitergegeben, aus Publicitygründen! Er erstattete Bericht, so gut, wie er nach dem Anruf Quandts dazu in der Lage war. Der Beamte war nicht im geringsten überrascht oder vorwurfsvoll, weil er erst jetzt, fast zwei Stunden nach dem Anruf, mit der Meldung kam.
    »In den letzten drei Tagen«, berichtete der Beamte gelassen, als handele es sich um Marktpreise für Gemüse, »sind hier einundzwanzig Anzeigen eingegangen. Warnungen, Drohungen,

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