Dhalgren
abknallen?«
Das Gewehr hob sich. » Wir brauchen keine Skorpione «, und ein abfälliges: »Shit.«
»Das ist gut«, sagte Kid. »Weil wir niemanden beschützen.« Das alles klingt vertraut. Wurde nicht schon mal jemand von einem Dach aus erschossen . . .?
Die beiden Männer blickten sich an und sahen unsicher aus.
Glas wiederholte schließlich: »So was machen wir nicht.«
Der Mann mit dem Gewehr hob den Knauf über die Schulter. »Ne, wir brauchen keinen Schutz.«
»Wir brauchen auch keine Arschlöcher, die auf dem Dach der Second City Bank stehen und Leute auf offener Straße abknallen.« Der andere fummelte an seiner Gürtelschnalle, als hätte er gern noch die Bierdose. »Wißt ihr, ohne Ärzte und Leichenbestatter.«
»Was macht man mit ihnen?« fragte Glas.
»Wir legen sie in ein Haus da unten. Und nach ungefähr drei oder vier Tagen gehen die Leute auf diesem Stück auf die andere Straßenseite.«
Der Mann mit dem Gewehr lachte nicht. »Was macht ihr Skorpione hier? Weil diese Sonne aufgeht« - der Kolben stieß auf den Betonboden -, »kommt ihr hier runter?«
»George hat mich eingeladen, ihn zu besuchen«, sagte Kid. »Ich habe ihn drüben in Reverend Amys Kirche getroffen, und er hat mir gesagt, ich soll vorbeikommen.«
»Yeah«, sagte Glas, »wir wollen George besuchen.«
Nach einem Moment sagte einer: »Oh«.
Mitten im Flur sagte Glas: »Glaubst du, er hatte schon immer ein Gewehr? So wie er damit herummachte, wird er sich noch ein Ohr oder die Nase oder den Kopf abknallen.«
»Oder meinen Kopf«, meinte Kid. »Yeah, das habe ich auch gedacht.«
Drei Laternen hingen beieinander. Das magnesiumweiße Licht warf harte Schatten auf das gesprenkelte Linoleum und die bürogelben Wände. Durch eine eiserne Fahrstuhltür konnte Kid ein Schattennetz auf den Ziegeln sehen.
Er wußte, es war eine Reaktion, doch nicht, auf was: »Was macht man mit den Leichen? Ich finde das nicht gut, wenn ich ein drittes Mal darauf stoße.«
Glas beobachtete ihn.
»Warum trägst du die Orchidee um den Hals? Als ich dich zuerst gesehen habe, als wir in das Kaufhaus einbrachen, hattest du sie in einem Stück Leder.«
»Ich weiß«, sagte Glas. »Aber du trägst deine so.«
»Oh, das habe ich mir gedacht.« Hinter der Ecke hörte man Leute.
»Hey.«
Glas drehte sich um. Lichtflecken glitten über das schwarze Vinyl. »Huh?«
»Was habt ihr Typen eigentlich gedacht, als ich da aufkreuzte. Ich meine, hinter dem Kaufhaus?«
Glas lachte durch die Nase. Er sah verlegen aus. Er zog die Hose über den Bauch und kratzte das zweifach gekreuzte T einer Blinddarmnarbe über dem Gürtel. Seine Knöchel waren viel dunkler als die restliche Haut; die Stellen zwischen den Fingern sahen aus, als hätte man sie durch Asche gezogen.
»Was hast du gedacht. Sag's mir?«
Glas zuckte die Achseln und schüttelte den Kopf, um das Lächeln in den gelblichen Augenwinkeln geradezurücken. »Wir . . . also, wir wußten, daß du kommst. Wir wußten nur nicht, daß du gerade dann kommst. Ich meine, du erinnerst dich doch noch an den Morgen, als wir euch im Park geweckt haben?«
Kid nickte.
Glas nickte ebenfalls, als erkläre dieser Hinweis etwas, blickte dann den Flur entlang. Kid ging weiter.
Bei einer Party kann ich hundertfünfzig Exemplare meines Buches verteilen, und sie drehen die Musik ab und setzen sich mit gekreuzten Beinen auf den Boden und lesen so konzentriert, daß ich zwischen ihnen umhergehen kann, mich herabbeugen und jeden Gesichtsausdruck von Belustigung über Mitleid bis zu tiefer Bewegung erkennen kann.
Er schwitzte unter den Büchern unter seinem Gürtel. Ein Tropfen fiel herab und kitzelte seinen Hintern.
Kid und Glas traten durch die weitflüglige Tür.
Er hatte gedacht, dort sei Musik.
». . . will mehr, kann nicht genug davon kriegen, wie kommt man da raus: Zeit« - rief eine Frau über die Leute hinweg - »ist der Held!« Sie taumelte in schwarzer Robe über eine Art Plattform - vielleicht auch nur ein Tisch -, was ihre Knie auf die gleiche Höhe mit dem größten kurzgeschnittenen schwarzen Kopf mit einem braunen, kahlen Fleck in der Mitte brachte. »Zeit ist der Schurke!« Reverend Amy Taylor, dreißig Fuß weit weg auf der anderen Seite der balkonunterteilten Halle, schüttelte den Kopf und die Fäuste und blickte entlang der sich reckenden Hälse von Frauen und Männern mit Gesichtern in Humus, Sand und allen Zwischentönen, die Erde haben kann. »Wo ist diese Stadt? Aus der Zeit gesprungen! Wo steht
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