Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diagnose zur Daemmerung

Diagnose zur Daemmerung

Titel: Diagnose zur Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
Vom Netzwerk:
stets bereit für ein gutes Geschäft. »Klar doch, ich bin den ganzen Tag hier und versuche, die Leute vor euch zu retten.«
    Ich musste grinsen. »Dann pass auf, dass du im Schatten bleibst. Ich will lieber nicht wissen, was dein Großvater gegen einen Hitzschlag unternimmt.«
    Ich betrat die Klinik und bemerkte, dass bereits drei Patienten warteten. Als die Rezeptionistin mich sah, drückte sie auf einen Summer und ließ mich hinein. Sobald ich durch die Tür getreten war, fiel sie lautstark hinter mir ins Schloss. Dr. Tovar streckte den Kopf aus seinem Büro. »Es ist fünf nach acht. Sind Sie immer so unpünktlich?«
    »Tut mir leid.«
    »Da Sie ja gestern bereits hier waren, weiß ich, dass Sie sich nicht verlaufen haben«, fuhr er fort. Dann deutete er den Flur hinunter. »Catrina wird Ihnen alles zeigen. Ihr erster Patient ist ein tecato , er braucht einen neuen Verband für seinen Abszess.« Damit knallte er seine Tür zu.
    Neben mir tauchte eine Frau auf und zog mich in einen kleinen Seitengang, von dem mehrere Räume abgingen.
    »Ich bin Catrina. Und er ist nicht immer ein so harter Bursche. Er dachte nur, du würdest nicht auftauchen.« Sie trug dasselbe Outfit wie gestern, ein rosa OP-Hemd mit violetten Nähten, dazu eine passende OP-Hose. Ihre Haut war kaffeebraun und die schwarzen Haare sehr kurz. Doch die ausgeprägten Wangenknochen gaben ihrem Gesicht die Weiblichkeit zurück, die der Kurzhaarschnitt ihm raubte. »Sprichst du echt kein Spanisch?«
    »Was ist ein tecato ?«, antwortete ich mit einer Gegenfrage.
    Sie pustete sich genervt Luft ins Gesicht. »Du wirst hier vollkommen nutzlos sein.«
    »Ich will diesen Job aber«, protestierte ich.
    »Warum?« Sie beugte sich vor. »Bist du etwa so eine dämliche Weltverbesserin?«
    »Nein. Ja. Äh, nein.« Ich wich einen Schritt zurück. Schließlich konnte ich nicht sagen: Hey, gestern hat im Wartebereich jemand über Santa Muerte gesprochen. Ich bin auf der Suche nach ihr, denn wenn ich sie finde, schuldet mir jemand einen Gefallen, und ich kann meine Mom retten.
    Catrina verschränkte die Arme vor der Brust und musterte mich aus schmalen Augen. Auf einem ihrer Finger entdeckte ich ein merkwürdiges ringförmiges Tattoo. »Bist du vorbestraft?«, fragte sie mich.
    »Was?« Damit hatte sie mich völlig aus dem Konzept gebracht.
    »Ladendiebstahl, Trunkenheit am Steuer, irgend so was Dämliches«, riet sie.
    »Nein!«, wehrte ich mich. »Mein alter Job war einfach scheiße, mehr nicht. Ich brauche die Arbeit hier.«
    »Ich habe keine Lust, meine Zeit damit zu verschwenden, dich anzulernen, wenn du sowieso gleich wieder abhaust.«
    Diese Sorge konnte ich nachvollziehen. Wie ein braver Katholik schlug ich ein Kreuz vor der Brust. »Das werde ich nicht tun, versprochen.«
    »Na, jetzt, wo du dich bekreuzigt hast, glaube ich dir natürlich«, erwiderte sie voller Sarkasmus. »Hast du überhaupt Arbeitskleidung?«
    »Ja, schon … nur …« Mir war gar nicht der Gedanke gekommen, welche mitzunehmen. Ich war es einfach nicht gewöhnt, tagsüber in OP-Klamotten rumzulaufen. »Ich hätte welche mitbringen sollen. Morgen habe ich was dabei.«
    »Wenn ich nicht gesehen hätte, wie du gestern eingesprungen bist, um diesem Gangmitglied zu helfen …« Sie fuhr sich durch die kurzen Haare. » Tecatos sind Heroinsüchtige«, erklärte sie dann und beobachtete mich scharf, um zu sehen, ob ich zurückschreckte. »Das ist dir doch nicht zu eklig, oder?«
    »Nein, mit Süchtigen komme ich gut klar, Spanisch oder nicht.« Hier wurde ich wenigstens dafür bezahlt, mich mit ihnen herumzuschlagen, nicht so wie bei den diversen Gelegenheiten, als ich versucht hatte, meinem Bruder zu helfen. »Wen werde ich außerdem behandeln? Was gibt es sonst noch für mich zu tun?«
    »Hast du das nicht im Bewerbungsgespräch geklärt?«
    »Ich war zu sehr damit beschäftigt, den Job nicht zu kriegen – bis ich ihn dann doch gekriegt habe.« Ich lächelte sie schüchtern an, und sie seufzte wieder.
    »Also.« Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Du wirst die Arbeit der Pflegehelfer überprüfen – insgesamt sind wir Fachkräfte zu dritt. Ich bin am längsten hier, außerdem bin ich ausgebildete Phlebologin«, zählte sie so eindringlich auf, als dürfte ich diese Informationen auf keinen Fall vergessen. »Ansonsten wäre da Wundversorgung, Diabetikerbetreuung, Leute mit fehlenden Zehen, hin und wieder mal ein künstlicher Darmausgang, der überprüft werden muss, Papierkram, noch mehr

Weitere Kostenlose Bücher