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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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dadurch Bürgerinnen des Himmlischen Königreichs werden, daß sie die konservativen Kleider dieses Stammes anzogen und jedem Mandarin, der des Weges kam, ihre Reverenz erwiesen. Zweifellos würden sie genau das tun, sobald die Fäuste nach Pudong kamen. Einige würden beraubt, eingesperrt oder vergewaltigt werden, aber binnen eines Jahres würden sie alle in das H. K. integriert werden, als hätte die Küstenrepublik nie existiert.
    Aber wenn man den Nachrichtenfilmen aus dem Landesinneren trauen durfte, würden die Fäuste Nell langsam töten, mit vielen Schnitt- und Brandwunden, wenn sie es satt hatten, sie zu vergewaltigen. In den letzten Tagen hatte sie häufig gesehen, wie die chinesischen Mädchen sich in kleinen Gruppen unterhielten und ihr verstohlene Blicke zuwarfen, und seitdem wuchs der Verdacht in ihrem Herzen, daß einige von dem bevorstehenden Angriff wußten und möglicherweise Vorbereitungen trafen, Nell als Beweis ihrer Loyalität an die Fäuste auszuliefern.
    Sie machte die Tür einen Spalt auf und sah zwei der Mädchen mit langen Streifen roten Polymerbandes auf die Tür des Schlafsaals zugehen, in dem Nell für gewöhnlich schlief.
    Kaum hatten sie sich in Nells Schlafsaal geschlichen, lief Nell den Flur entlang zu den Fahrstühlen. Als sie auf den Fahrstuhl wartete, hatte sie mehr Angst als jemals zuvor; der Anblick der grausamen roten Bänder in den zierlichen Händen der Mädchen erfüllte ihre Brust irgendwie mit einem größeren Entsetzen als der Anblick von Messern in den Händen der Fäuste.
    Ein schriller Tumult setzte im Schlafsaal ein.
    Die Fahrstuhlglocke ertönte.
    Sie hörte, wie die Schlafsaaltür aufgerissen wurde und jemand den Flur entlanggelaufen kam.
    Die Fahrstuhltür ging auf.
    Eines der Mädchen kam in die Halle, sah Nell und rief den anderen mit delphinartigem Quietschen etwas zu.
    Nell sprang in den Fahrstuhl, drückte auf den Knopf für die Halle und ließ den Finger auf dem T ÜR SCHLIESSEN-Knopf. Das Mädchen dachte einen Augenblick nach, dann trat es vor, um die Tür festzuhalten. Weitere Mädchen kamen den Flur entlanggelaufen. Nell verpaßte dem Mädchen einen Tritt ins Gesicht, so daß es in einem Wirbel von Blut davonstürzte. Die Fahrstuhltür glitt zu. Als sich die beiden Türflügel gerade in der Mitte trafen, sah sie durch den schrumpfenden Spalt, wie eines der Mädchen zum Knopf an der Wand hechtete. Die Türflügel trafen aufeinander. Nach einer kurzen Pause gingen sie wieder auf.
    Nell hatte bereits die korrekte Haltung der Selbstverteidigung eingenommen. Wenn sie jedes einzelne Mädchen töten mußte, würde sie es tun. Aber niemand stürmte in den Fahrstuhl. Statt dessen trat die Anführerin vor und richtete etwas auf Nell. Ein leises Plop ertönte, Nell spürte einen Stich in der Leibesmitte, und binnen weniger Sekunden wurden ihre Arme unvorstellbar schwer. Ihr Unterleib sackte ab. Ihr Kopf kippte nach vorne. Ihre Knie gaben nach. Sie konnte die Augen nicht offenhalten; während sie ihr zufielen, sah sie noch, wie die Mädchen auf sie zukamen, vergnügt lächelten und die roten Bänder hochhielten. Nell konnte kein Körperteil bewegen, blieb aber bei vollem Bewußtsein, während sie sie mit den roten Bändern fesselten. Sie machten es langsam und zielstrebig und perfekt; sie machten es jeden Tag ihres Lebens.
    Die Foltern der nächsten Stunden waren von einer rein experimentellen und vorbereitenden Natur. Sie dauerten nicht lange und richteten keine bleibenden Schäden an. Die Mädchen verdienten ihren Lebensunterhalt damit, daß sie Leute so folterten, daß keine Narben zurückblieben, und mehr konnten sie auch nicht. Als die Anführerin auf die Idee kam, Nell eine brennende Zigarette auf die Wange zu drücken, war das etwas vollkommen Neues, auf das die anderen Mädchen ein paar Minuten mit verblüfftem Schweigen reagierten. Nell spürte, daß die meisten Mädchen keinen Nerv für so etwas hatten und sie lediglich den Fäusten übergeben wollten, um sich damit die Staatsangehörigkeit des Himmlischen Königreichs zu verdienen.
    Die Fäuste selbst trafen zwölf Stunden später ein. Manche trugen konservative Anzüge, manche Uniformen des Gebäudewachdienstes, andere sahen aus, als wären sie gekommen, um ein Mädchen für die Disco abzuholen.
    Sie hatten alle etwas zu tun, als sie eintrafen. Es war unverkennbar, daß diese Suite als ein lokales Hauptquartier dienen sollte, wenn der Aufstand richtig losging. Sie brachten mit dem Lastenaufzug Vorräte

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