Diamonds & Rust
nach unten kam, blieb ihr für einen kurzen Moment das Herz stehen. Danny und David saßen am Tisch und frühstückten, und das Klappern von Geschirr, das sie bereits auf der Treppe gehört hatte, kam zu ihrer Überraschung von der merkwürdigen Frau, die sie seit Samstag nicht mehr gesehen hatte.
Geschäftig hantierte sie mit Tellern und Töpfen herum, und als sie Vanessa bemerkte, schien ihr Gesicht noch eine Spur verkniffener zu werden.
Rasch schüttelte Vanessa das Gefühl der Beklommenheit ab, und trat mit einem betont fröhlichen »Guten Morgen« an den Tisch.
Zu ihrer Überraschung sprang Danny freudig auf und umarmte sie. Liebevoll drückte sie ihn an sich und strich ihm übers Haar.
»Danny – du musst fertig essen, der Schulbus kommt gleich«, tönte es gereizt aus der Küche.
Gehorsam ließ er sie wieder los und setzte sich hin.
Völlig verblüfft stand Vanessa vor dem Tisch, bis sie Davids Blick auffing. Er deutete mit dem Kopf in Richtung des sauberen Gedecks, das dort für sie auf dem Tisch stand, und zögernd nahm sie Platz.
»Antonia, würdest du bitte Kaffee einschenken?«, bat David.
Widerwillig stolzierte die Alte auf den Tisch zu und stellte die Kanne lautstark vor Vanessa ab. Ihr Blick war dermaßen feindselig, dass Vanessa eine Gänsehaut über den Rücken lief. Hilflos wanderte ihr Blick zu David, der daraufhin seinen Teller beiseiteschob.
»Antonia, das ist Vanessa, sie wird sich ab heute um Danny kümmern. – Vanessa, das ist Antonia, unsere gute Seele«, stellte er vor. »Aber ihr habt euch ja am Samstag bereits kurz kennengelernt …«, fügte er hinzu, und Vanessa hatte das Gefühl, dass er sich insgeheim amüsierte.
Sofort fiel ihr wieder ein, wie sie in ihrer Aufregung Antonia als Hexe bezeichnet hatte, und sie wurde rot.
»Ihr werdet euch sicher gut verstehen, und Vanessa, falls Sie irgendwelche Fragen oder Wünsche haben, können Sie sich gerne an Antonia wenden.«
Vanessa nickte, doch sie konnte sich kaum vorstellen, dass sie sich mit dieser Frau »gut verstehen« würde. Antonias böser Blick und ihre abweisende Haltung zeigten mehr als deutlich, was diese von »Fragen« und »Wünschen« halten würde.
Ohne Kommentar begann Antonia wieder in der Küche zu hantieren, noch lauter und energischer als zuvor – zumindest erschien es Vanessa so.
Mit gemischten Gefühlen begann sie zu frühstücken und unterhielt sich dabei mit Danny, der munter drauflos plapperte, während David eine Tageszeitung studierte.
Kurz darauf machte sich Danny auf den Weg zur Schule, David verschwand in seinem Arbeitszimmer, und Vanessa blieb völlig verunsichert am Tisch zurück.
Zwar hatte David ihr am Vortag erklärt, dass sie die Zeit, in der Danny in der Schule war, für sich nutzen könne, doch sie hatte keine Ahnung, wann Danny zurück sein würde, oder was sonst noch von ihr erwartet wurde. Nach kurzem Überlegen stand sie auf, räumte das Geschirr zusammen und trug es zur Küche.
»Kann ich Ihnen vielleicht beim Abwaschen helfen?«, bot sie Antonia höflich an, in der stillen Hoffnung, dass sich deren feindselige Haltung vielleicht doch ändern würde, wenn man nur freundlich genug auf sie zugehen würde.
Sie bemerkte jedoch sofort, dass das ein Irrtum war, denn wortlos und mit einem Ruck nahm die Haushälterin ihr das Geschirr aus den Händen, stellte es neben der Spüle ab und ließ Wasser ins Becken.
Ungläubig schüttelte Vanessa den Kopf. Jedes weitere Bemühen würde zwecklos sein, das wurde ihr nun klar. Vielleicht würden sie sich mit der Zeit aneinander gewöhnen, aber im Augenblick war es vermutlich besser, wenn sie der Frau aus dem Weg ging.
»Können Sie mir wenigstens sagen, wann Danny aus der Schule kommt?«, fragte sie resigniert. Schnell überflog sie den Stundenplan, den Antonia aus einer Küchenschublade holte und ihr kommentarlos auf die Theke warf.
Sie stellte fest, dass es keine unterschiedlichen Zeiten gab. Täglich begann der Unterricht um acht Uhr und endete regelmäßig um vierzehn Uhr.
Erleichtert, dass sie wenigstens das in Erfahrung gebracht hatte, legte sie den Zettel wieder hin und machte sich auf den Weg in ihr Zimmer.
Antonia warf ihr einen boshaften Blick hinterher und griff dann zum Telefon, doch davon bemerkte Vanessa nichts.
Es war kurz nach vierzehn Uhr, als Vanessa überlegte, ob sie nach unten gehen sollte, um zu schauen, ob Danny bereits zurück war. Mehr oder weniger konzentriert hatte sie an ihrem Manuskript weiter geschrieben, immer wieder abgelenkt
Weitere Kostenlose Bücher