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Diaspora

Diaspora

Titel: Diaspora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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– und sein Vater trieb keine derartigen Spielchen mit seinem mittlerweile zwölfhundertjährigen Sohn.
    Elena zerrte ihn bis zum Grund des Pools, bevor sie seinen Fuß losließ und über ihm schwebte, eine Silhouette des Triumphs vor der hellen Wasseroberfläche. Sie hatte die Gestalt einer Körperlichen, obwohl sie offensichtlich mogelte, denn sie sprach vollkommen klar, ohne Luftblasen zu erzeugen.
    »Langschläfer! Ich habe fünf Megatau auf diesen Moment gewartet!«
    Paolo täuschte Gleichgültigkeit vor, doch seine Atemluft wurde allmählich knapp. Er ließ sich durch sein Exo-Ich in einen amphibischen Vitalen konvertieren – biologisch und historisch korrekt, obwohl keiner seiner Vorfahren in dieser Form existiert hatte. Wasser strömte in die modifizierten Lungen, und sein modifiziertes Gehirn empfand es als angenehm.
    Er sagte: »Warum sollte ich mein Bewußtsein darauf verschwenden, herumzusitzen und darauf zu warten, bis die Scoutsonden ihre Beobachtungen verfeinert haben? Ich bin sofort aufgewacht, als die Daten eindeutig waren.«
    Sie trommelte auf seinen Brustkorb ein. Er griff nach ihr und zerrte sie hinunter, während er instinktiv seinen Auftrieb verringerte, bis sie über den Boden des Pools rollten und sich küßten.
    »Weißt du«, sagte Elena, »daß wir der erste C-Z-Klon sind, der irgendwo eintrifft? Das Fomalhaut-Schiff wurde zerstört. Also gibt es uns beide nur ein zweites Mal. Auf der Erde.«
    »Und?« Dann erinnerte er sich. Elena hatte sich entschieden, nicht mehr aufzuwachen, wenn eine andere Version von ihr bereits auf Leben gestoßen war. Ganz gleich, welches Schicksal die übrigen Schiffe ereilte, jede andere Version von ihm müßte nun ohne sie leben.
    Er nickte ernst und küßte sie wieder. »Was soll ich dazu sagen? Daß du mir jetzt tausendmal kostbarer bist?«
    »Ja.«
    »Ach, und was ist mit uns beiden auf der Erde? Fünfhundertmal käme der Wahrheit etwas näher.«
    »Fünfhundertmal hat keine Poesie.«
    »Sei nicht so defätistisch. Du solltest deine Sprachzentren reorganisieren.«
    Sie strich mit den Händen über seinen Brustkorb, bis hinunter zu den Hüften. Sie liebten sich mit ihren fast traditionellen Körpern – und Gehirnen. Paolo war amüsiert bis irritiert, als sein limbisches System durchdrehte, doch er konnte sich gut genug an die letzte Gelegenheit erinnern, um sein Ich-Bewußtsein herunterzufahren und sich diesem seltsamen Barbaren hinzugeben. Es war anders, als sich auf zivilisierte Weise zu lieben – die Menge des Informationsaustausches zwischen ihnen war beispielsweise winzig –, aber es hatte die direkte und drängende Eigenschaft der meisten traditionellen Vergnügungen.
    Dann trieben sie zur Oberfläche des Pools und lagen unter dem strahlenden, sonnenlosen Himmel.
    Paolo dachte: Ich habe siebenundzwanzig Lichtjahre innerhalb eines Augenblicks überwunden. Ich befinde mich im Orbit um den ersten Planeten, auf dem jemals Leben entdeckt wurde. Und ich habe dafür nichts opfern müssen – ich habe nichts zurückgelassen, was wirklich von Wert für mich ist. Das ist gut, viel zu gut. Er empfand ein kurzes Bedauern über seine anderen Ichs – es war schwer vorstellbar, daß es ihnen genauso gut ging, ohne Elena, ohne Orpheus –, doch dagegen konnte er gegenwärtig nichts tun. Es wäre zwar noch Zeit, mit der Erde Kontakt aufzunehmen, bevor weitere Schiffe ihre Bestimmung erreichten, aber er hatte vor dem Klonen entschieden, daß die Entfaltung seiner mannigfaltigen Zukunft nicht mehr durch Launen oder Anwandlungen geändert werden konnte. Ob sein Erden-Ich damit einverstanden war oder nicht, sie beide hatten jetzt nicht mehr die Macht, die Kriterien des Aufwachens zu modifizieren. Das Ich mit dem Recht, für alle tausend zu entscheiden, war vergangen.
    Es spielte keine Rolle, beschloß Paolo. Die anderen würden ihr eigenes Glück finden – oder konstruieren. Und es bestand immer noch die Möglichkeit, daß einer von ihnen zum Klang von vier Glockenschlägen erwachte.
    »Wenn du noch länger geschlafen hättest«, sagte Elena, »hättest du die Abstimmung verpaßt.«
    Die Abstimmung? Die Scouts im niedrigen Orbit hatten so viele Daten wie möglich über die orphische Biologie gesammelt. Um weiter vorzudringen, wäre es notwendig, Mikrosonden in den Ozean zu entsenden – eine Eskalation des Kontakts, die die Zustimmung von zwei Dritteln der Polis erforderte. Es gab keinen Grund zu der Annahme, daß die Anwesenheit von ein paar Millionen winziger

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