Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
ihre Nichte ebenfalls anwesend war. Ich wollte unsere blinde Lust dämpfen, auch wenn ihr warmes Bett gleichzeitig eine große Versuchung darstellte, der ich kaum widerstehen konnte. Ich versuchte es. Jedes Mal, wenn ich ihr einen Besuch abstattete, blieb ich nur kurz und entschuldigte mich dann damit, dass ich noch etwas für meinen Herrn zu erledigen hätte. Das erste Mal schien Jinna diese Geschichte ohne zu fragen zu akzeptieren. Beim zweiten Mal erkundigte sie sich dann, wann ich damit rechne, einen Nachmittag frei zu haben. Diese Frage stellte sie mir in Gegenwart ihrer Nichte, und in ihren Augen stand noch ganz etwas anderes zu lesen. Ich wich ihr aus und erklärte, mein Herr sei recht kapriziös und wolle mir keine feste Zeit nennen, wann ich denn einmal frei hätte. Ich kaschierte diese Lüge mit einem Kompliment, und sie nickte mitfühlend.
Als ich sie zum dritten Mal besuchte, war ihre Nichte nicht daheim. Sie war einer Freundin helfen, die gerade eine schwere Geburt hinter sich gebracht hatte. Jinna erzählte mir das, nachdem sie mich mit einer warmen Umarmung und einem anhaltenden Kuss begrüßt hatte. Im Angesicht ihrer Leidenschaft schmolz mein Entschluss, mich zurückzuhalten, dahin wie Eis in der Sonne. Ohne weiteres Vorspiel verriegelte sie die Tür hinter mir, ergriff meine Hand und führte mich zur Schlafkammer. »Einen Augenblick«, sagte sie an der Schwelle, und ich blieb stehen. »Jetzt komm rein«, sagte sie, und als ich den Raum betrat, sah ich, dass das Amulett von einem schweren Schal verdeckt war. Jinna atmete tief ein, wie ein hungriger Mann in Erwartung eines üppigen Mahls, und plötzlich sah ich nur noch das Schwellen ihrer Brust in dem engen Mieder. Ich sagte mir, das sei ein dummer Fehler, aber ich beging ihn trotzdem – und das mehrere Male. Als wir dann beide erschöpft nebeneinander lagen und Jinna mit dem Kopf auf meiner Schulter döste, beging ich sogar einen noch weit dümmeren Fehler.
»Jinna«, fragte ich leise, »glaubst du, das ist klug, was wir hier tun?«
»Klug, dumm«, antwortete sie verschlafen. »Was bedeutet das schon? Es schadet niemandem.«
Ihre Frage war leichthin gestellt, doch ich beantwortete sie ernst. »Ich glaube, es bedeutet schon etwas, und vielleicht schadet es auch.«
Jinna stieß einen tiefen Seufzer aus, setzte sich auf und wischte sich die zerzausten Locken aus dem Gesicht. Sie blickte mich mit ihren kurzsichtigen Augen an. »Tom. Warum bist du so fest entschlossen, aus dem Ganzen eine komplizierte Angelegenheit zu machen? Wir sind beide erwachsen, keiner von uns ist gebunden, und ich habe dir versprochen, dass ich kein Kind von dir bekommen werde. Warum sollten wir einander nicht schlicht und ehrlich Freude spenden, solange wir noch können?«
»Für mich ist das vielleicht nicht ganz so schlicht und ehrlich.« Ich suchte nach Worten, um ihr meine Gründe plausibel zu machen. »Ich tue, was ich Harm als Unrecht gelehrt habe: Ich liege bei einer Frau, der ich nicht verschworen bin. Würde er mir sagen, dass er mit Svanja getan hätte, was wir getan haben, ich würde ihn heftigst tadeln und ihm sagen, er habe kein Recht …«
»Tom«, unterbrach sie mich. »Wir stellen Regeln für unsere Kinder auf, um sie zu beschützen. Wenn wir erwachsen sind, kennen wir die Gefahren, und wählen selbst, welche Risiken wir eingehen wollen und welche nicht. Wir beide sind keine Kinder mehr. Keiner von uns hat den anderen getäuscht. Vor was für einer Gefahr fürchtest du dich hier, Tom?«
»Ich … Ich fürchte mich davor, was Harm von mir denken würde, sollte er es herausfinden. Es gefällt mir nicht, ihn zu hintergehen, und genau das mache ich, wenn ich tue, was ich ihm verboten habe.« Ich blickte an ihr vorbei, als ich hinzufügte: »Und ich wünschte, da wäre mehr als nur … Erwachsene, die um der Freude willen Risiken eingehen.«
»Ich verstehe. Nun, mit der Zeit wird das vielleicht so sein«, bot sie mir an, doch ein verletzter Unterton lag in ihrer Stimme. Da wusste ich, dass sie sich wohlmöglich selbst etwas vorgemacht hatte, was unsere Beziehung betraf.
Was hätte ich darauf erwidern sollen? Ich weiß es nicht. Ich fiel wieder in die Rolle des Feiglings zurück und sagte: »Mit der Zeit vielleicht.« Aber ich glaubte meinen eigenen Worten nicht. Wir blieben noch ein wenig liegen und standen dann auf, um gemeinsam eine Tasse Tee am Kamin zu trinken. Als ich Jinna schließlich sagte, dass ich gehen müsse und dann noch einmal die lahme
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