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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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starrte über den Kopf hinweg in eine Ferne, die nur er sehen konnte.
    Ein Klopfen an der Tür ließ sie innehalten. »Herein«, rief Peottre, und eine Dienerin mit einem Kleid über dem Arm betrat den Raum. Sofort lösten sich Peottre und Elliania voneinander und verhielten sich vollkommen still. Sie hätten nicht vorsichtiger sein können, wenn eine Schlange in den Raum gekrochen wäre. Doch die Frau trug die Tracht der Outislander, ihre eigene.
    Ihr Verhalten war seltsam. Sie machte keinen Knicks. Sie hielt nur das Kleid hoch, damit die anderen es inspizieren konnten. »Die Narcheska wird dies hier heute Abend tragen.«
    Peottre musterte es eingehend. Ich hatte noch nie etwas Vergleichbares gesehen. Es war das Kleid einer Frau, geschnitten für ein Kind. Der Stoff war blassblau, am Hals tief ausgeschnitten. Die Rüschen an der Vorderseite waren auf so clevere Art gesteckt, dass sie den Stoff wölbten. Das würde der Narcheska helfen, den Busen vorzutäuschen, den sie noch nicht besaß. Elliania errötete, als sie es sah. Peottre war da schon direkter. Er trat zwischen Elliania und das Kleid, als wolle er sie davor beschützen. »Nein. Das wird sie nicht.«
    »Doch. Das wird sie. Die hohe Frau sieht es so vor. Der junge Prinz wird es sehr anziehend finden.« Was sie da kundtat, war keine Meinung, sondern eine Direktive.
    »Nein. Das wird sie nicht. Das macht sie zu einem Zerrbild dessen, was sie ist. Das ist nicht das Gewand einer Narcheska der Gottesrunen. Würde sie das tragen, wäre das eine Beleidigung unseres Mütterhauses.« Mit einem plötzlichen Schritt vorwärts schlug Peottre der Frau das Kleid aus der Hand und warf es auf den Boden.
    Ich hätte erwartet, dass die Dienerin vor ihm zurückweichen und um Entschuldigung bitten würde. Stattdessen blickte sie ihn einfach nur an. Nach kurzer Pause sagte sie: »Die hohe Frau sagt: ›Das hat nichts mit den Gottesrunen zu tun. Dies ist ein Kleid, dass die Männer der Sechs Provinzen verstehen werden. Sie wird es tragen.‹« Sie hielt kurz inne, als dächte sie nach, und fügte dann hinzu: »Würde sie es nicht tragen, brächte das unser Mütterhaus in Gefahr.« Als wäre Peottres Handeln nur der Streich eines übermütigen Kindes gewesen, bückte sie sich und hob das Kleid wieder auf.
    Hinter Peottre stieß Elliania einen leisen Schrei aus. Es klang, als litte sie unter Schmerzen. Als er sich zu ihr umdrehte, erhaschte ich einen raschen Blick auf ihr Gesicht. Sie strahlte Entschlossenheit aus, doch Schweiß hatte sich auf ihrer Stirn gesammelt, und sie sah so blass aus wie sie vorher rot gewesen war.
    »Hört auf damit!«, sagte Peottre mit leiser Stimme, und zuerst glaubte ich, er hätte mit dem Mädchen gesprochen. Dann blickte er über die Schulter. Doch als er wieder sprach, schien er auch nicht mit der Dienerin zu reden. »Hör auf damit!«, wiederholte er. »Sie wie eine Hure anzuziehen, war nicht Teil unserer Abmachung. Wir werden uns nicht dazu zwingen lassen. Hör auf damit, oder ich werde sie an Ort und Stelle erschlagen, und du wirst deine Augen und Ohren hier verlieren.« Er zog sein Messer, trat auf die Dienerin zu und legte ihr die Klinge an den Hals. Die Frau zuckte nicht zusammen und wich auch nicht zurück. Sie stand einfach nur still da; ihre Augen funkeln, und fast schien sie über seine Drohung zu lächeln. Sie antwortete nicht auf seine Worte. Dann atmete Elliania plötzlich tief und rasselnd durch und ließ die Schultern hängen. Einen Augenblick später straffte sie sie wieder und richtete sich auf. Keine Träne rann aus ihren Augen.
    In einer fließenden Bewegung nahm Peottre der Frau das Kleid vom Arm. Sein Messer musste scharf wie eine Rasierklinge sein, denn es schlitzte mühelos die Vorderseite des Kleides auf. Die Fetzen warf er dann zu Boden und trat darauf. »Raus!«, befahl er der Frau.
    »Alles soll so geschehen, wie Ihr es wollt, Mylord«, murmelte sie, doch die höflichen Worte waren nur Spott. Sie drehte sich um und ging. Sie beeilte sich jedoch nicht, und Peottre beobachtete sie, bis sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte. Dann drehte er sich wieder zu Elliania um. »Hat dich das sehr verletzt, kleiner Fisch?«
    Sie schüttelte den Kopf, eine schnelle Geste, das Kinn hoch. Es war eine tapfere Lüge, denn sie sah aus, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen.
    Ich stand leise auf. Ich fragte mich, ob Chade wusste, dass die Narcheska unseren Prinzen nicht heiraten wollte; ob er wusste, dass Peottre das Verlöbnis nicht als

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