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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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kein Wunder, dass wir beide nur das Falsche gesagt hatten.
    Ich trug ihn zu seinem Zimmer und trat die Tür auf. Der Raum war von einem erdrückenden Geruch erfüllt, und das Bettzeug war zerknüllt, als hätte der Narr eine unruhige Nacht hinter sich gehabt. Was war ich nur für ein Dummkopf gewesen, dass ich mich noch nicht einmal gefragt hatte, ob er wirklich krank sein könnte? Ich legte seinen schlaffen Leib aufs Bett. Dann schüttelte ich das Kissen wieder auf und schob es dem Narren ungeschickt unter den Kopf; schließlich zog ich die Decken um ihn herum zurecht. Was sollte ich tun? Ich wusste es besser, als dass ich den Heiler geholt hätte. In all den Jahren in der Bocksburg hatte der Narr sich nie von einem Heiler berühren lassen. Gelegentlich hatte er Burrich nach einem Heilmittel oder ähnlichem gefragt, doch diese Hilfe stand mir nun nicht zur Verfügung. Ich tätschelte ihm die Wange, doch er zeigte keinerlei Anzeichen, dass er wieder aufwachen würde.
    Ich ging zu den Fenstern, zog die schweren Vorhänge beiseite, öffnete die Fensterläden und ließ die kalte, frische Luft herein. Dann nahm ich mir eines von Fürst Leuenfarbs Taschentüchern und sammelte damit Schnee von der Fensterbank. Daraus faltete ich eine Kompresse und trug sie zum Bett. Ich setzte mich neben den Narren und drückte ihm das Taschentuch sanft auf die Stirn. Er rührte sich ein wenig, und als ich ihm das Tuch mit dem Schnee in den Nacken drückte, erwachte er plötzlich und mit furchterregender Munterkeit wieder zum Leben. »Fass mich nicht an!«, knurrte er und schlug meine Hand zur Seite.
    Sein Widerstand gegen meine Fürsorge verwandelte meine Besorgnis in Zorn. »Wie du willst.« Ich sprang auf und warf die Kompresse auf den Nachttisch.
    »Geh jetzt, bitte«, erwiderte er in einem Tonfall, der die höfliche Phrase Lügen strafte.
    Und ich ging.
    In einer Art Raserei schaffte ich Ordnung in unserem Gemach und räumte das Frühstück zusammen. Keiner von uns hatte irgendwas gegessen. Egal. Mir war ohnehin der Appetit vergangen. Ich trug das Tablett in die Küche runter. Dann holte ich Wasser und Holz. Als ich damit wieder oben ankam, fand ich die Tür zum Schlafzimmer des Narren geschlossen vor. Ich hörte, wie drinnen die Fensterläden wieder geschlossen wurden. Laut klopfte ich an seine Tür. »Fürst Leuenfarb, ich habe Feuerholz und Wasser für eure Gemächer.«
    Er antwortete nicht; also stapelte ich das Holz neben dem Kamin und füllte den Waschkrug. Was übrig blieb, stellte ich neben die Tür zu seinem Schlafzimmer. Wut und Schmerz schwelten in meinem Herzen. Ein Großteil meines Zorns richtete sich gegen mich selbst. Warum hatte ich nicht erkannt, dass er wirklich krank war? Warum hatte ich darauf bestanden, die Diskussion trotz all seiner Einwände weiterzuführen? Und vor allem: Warum hatte ich nicht den Instinkten unserer Freundschaft vertraut und stattdessen auf die Gerüchte Unwissender gehört? Einfach nur zu sagen ›Es tut mir leid‹, konnte nicht alle Wunden heilen. Das hatte Chade immer zu mir gesagt, und das nagte nun an mir. Ich fürchtete wirklich, dass ich den Schaden, den ich heute angerichtet hatte, nie wieder würde reparieren können. Ich hatte Angst, dass es tatsächlich so sein würde, wie der Narr gesagt hatte: dass dieses Gespräch uns beide bis ans Ende unserer Tage plagen würde. Ich konnte nur hoffen, dass die Schärfe meiner Worte mit der Zeit schwinden und die Erinnerung verblassen würde.
    An die nächsten drei, vier Tage erinnere ich mich nur wie durch einen Nebel des Elends. Ich sah den Narren kein einziges Mal. Er ließ immer nur seinen jungen Pagen ins Schlafgemach, aber soweit ich wusste, kam er selbst kein einziges Mal heraus. Jek sah ihn offensichtlich noch mindestens einmal vor der Abreise der Bingtown-Delegation, denn sie hielt mich einmal auf der Treppe an. Mit eisiger Höflichkeit erklärte sie mir, dass Fürst Leuenfarb sämtliche irrigen Gedanken aus ihrem Kopf vertrieben hätte, die sie in Bezug auf meine Beziehung zu meinem Herrn gehegt haben mochte. Sie bat mich um Verzeihung für den Fall, dass ihre Vermutungen mich in irgendeiner Form beleidigt haben sollten. Dann fügte sie mit einem leisen Zischen hinzu, dass ich der dümmste und grausamste Mensch sei, dem sie je begegnet war. Das waren die letzten Worte, die sie mit mir sprach. Am nächsten Tag reisten die Gesandten Bingtowns ab. Die Königin und ihre Herzöge hatten ihnen keine verbindliche Antwort auf ihre

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