Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
neben den Kaminen, während die Weber webten und die Bogenmacher Pfeile schnitzten. Neben ihrem Garn sponnen sie vor allem Gerüchte und Geschichten. Schatten drapierten die Ecken des Raums, und wenn ich mir Mühe gab, konnte ich mir vorstellen, dass das hier die Bocksburg meiner Jugend war.
Aber vom Narren sah ich überhaupt nichts. Weder mit einem Wort noch mit einer Geste gab mir Fürst Leuenfarb zu verstehen, dass es noch etwas anderes gab, als das, als was der Hof von Bocksburg uns betrachtete: Herr und Diener. Zu keiner Zeit richtete er auch nur ein Wort an mich, das nicht zu seiner Rolle als Fürst Leuenfarb gepasst hätte; und wenn ich, eine Nettigkeit äußerte, die die Grenzen dieser Rollen überschritt, ignorierte er sie.
Die Kluft, die diese Isolation in meiner Seele öffnete, überraschte mich, und mit jedem Tag wurde sie breiter. Als ich eines Tages von meinen Waffenübungen mit Wim zurückkehrte, fand ich ein kleines Paket auf meinem Bett. Darin eingewickelt war eine rote Trillerpfeife an einem grünen Band. »Für Dick«, stand auf einem Zettel in der schlichten Handschrift des Narren. Ich hatte gehofft, in dem Paket befände sich so eine Art Friedensangebot, doch als ich es wagte, Fürst Leuenfarb dafür zu danken, blickte er nur gedankenverloren und verärgert zugleich von dem Buch auf, vor dem er saß, und sagte: »Ich habe keine Ahnung, wofür du mir dankst, Tom Dachsenbless. Ich kann mich nicht daran erinnern, dir irgendein Geschenk gegeben zu habe, geschweige denn eine rote Trillerpfeife. Wie absurd. Such dir einen anderen Unsinn, um dich zu beschäftigen. Ich lese.«
Ich zog mich zurück. Damit war offensichtlich, dass er die Trillerpfeife nicht als Gefallen für mich, sondern als ernsthaftes Geschenk für Dick gemacht hatte – ein Geschenk von jemandem, der nur allzu gut wusste, was es bedeutete, verspottet und ausgelacht zu werden. Es hatte wirklich nichts mit mir zu tun, und mit diesem Gedanken sank mein Herz noch ein Stück tiefer.
Das Schlimmste war, dass ich niemandem mein Leid klagen konnte, es sei denn, ich wollte Chade das ganze Ausmaß meiner Dummheit beichten. Also litt ich stumm vor mich hin und tat mein Bestes, es vor den Augen anderer zu verbergen.
An dem Tag, da der Narr mir die Trillerpfeife gab, kam ich zu dem Schluss, dass es an der Zeit war, meine irregeleiteten Schüler an die Hand zu nehmen. Die Bingtown-Händler waren weg und mit ihnen Seiden Vestrit. Es war an der Zeit, das Versprechen zu erfüllen, das ich meiner Königin gegeben hatte.
Zuerst besuchte ich Chades Turm und stieg dann zum Gabenturm hinauf. Als Pflichtgetreu – wie gewöhnlich – nicht erschien, öffnete ich die Fensterläden weit und ließ den kalten, dunklen Wintermorgen hinein. Ich setzte mich auf Veritas' Stuhl und starrte in die Schwärze hinaus. Ich wusste, dass Chade Pflichtgetreu angewiesen hatte, zu mir zu kommen. Er hatte sogar die gesellschaftlichen Verpflichtungen des Prinzen zeitlich so angepasst, dass Pflichtgetreu mehr Stunden mit mir verbringen konnte. Nichts davon hatte etwas genützt. Seit er den Gabenbefehl entdeckt und gebrochen hatte, war er zu keiner einzigen Unterrichtsstunde mehr erschienen. Ich hatte Pflichtgetreu dieses Verhalten weitaus länger durchgehen lassen, als Veritas es bei mir gemacht hätte. Von selbst würde der Prinz nicht zu mir zurückkommen. Ich schob meine Zweifel beiseite, was die Weisheit meines Handelns betraf, atmete mehrmals tief und langsam durch und schloss die Augen. Dann richtete ich meine Gabe genau auf einen Punkt.
Pflichtgetreu. Komm zu mir. Jetzt.
Ich fühlte keine Antwort. Entweder hatte er mir schlicht keine gegeben, oder er ignorierte mich vollständig. Ich erweiterte mein Bewusstsein von ihm. Es war schwer, ihn zu fassen zu bekommen. Das ließ mich zu dem Schluss kommen, dass er seine Gabenmauern errichtet hatte und sich absichtlich gegen mich sperrte. Ich wusste, dass ich sie einfach so durchbrechen könnte, wenn ich wollte. Ich atmete tief ein und sammelte meine Kraft, um genau das zu tun. Dann, plötzlich, änderte ich meine Strategie. Anstatt sie einzureißen, lehnte ich mich gegen seine Mauern und übte so einen heimtückischen Druck auf sie aus. Ich spürte, wie ein schmales Lächeln auf meinem Gesicht erschien. Das war die Nesseltechnik, dachte ich bei mir selbst, als ich durch seine Mauer und in seinen schlafenden Geist schlüpfte.
Falls er träumte, so konnte ich es zumindest nicht fühlen. Nur die Stille des Unterbewusstseins
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