Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
grell, und plötzlich wurde es sogar noch heller. Ich schrie, mein ganzer Körper schrie mit der Kraft des Lichtes, das durch mich durch strömte. Ich war ein gebrochener Knochen, der wieder gerichtet wurde, ein eingedämmter Fluss, der wieder befreit wurde, verknotetes Haar, grob gekämmt … Das Heilmittel war schlimmer als die Krankheit. Mein Herz hörte auf zu schlagen. Stimmen schrieen verzweifelt auf. Dann setzte mein Herz sich wieder in Bewegung. Luft brannte in meinen Lungen.
Ich durchlebte einen wilden Augenblick des Wachseins, in dem ich alles sah, alles wusste, alles fühlte. Sie standen im Kreis um mich herum. Der Narr hatte die Gabenfinger in meinen Rücken gedrückt. Chade hielt die freie Hand des Narren umklammert und mit der anderen Pflichtgetreus. Pflichtgetreu wiederum hatte Dicks fettes Handgelenk gepackt, und Dick stand stocksteif und unbeweglich da und brüllte wie ein Scheiterhaufen. Chade hatte die Augen weit aufgerissen und fletschte vor purer Freude die Zähne. Pflichtgetreus Gesicht war kreidebleich von Furcht, die Augen hatte er fest geschlossen. Und der Narr, der Narr schimmerte wie Gold, war schiere Freude und diamantene Drachen an einem klaren blauen Himmel. Er schrie. Plötzlich. Schrill wie eine Frau. »Stop! Stop! Stop! Es ist zu viel! Wir sind zu weit gegangen!«
Sie ließen mich los. Ich rannte ohne sie weiter. Jetzt konnte ich nicht mehr anhalten. Wie eine Flutwelle sich durch eine Schlucht ergießt und alles mitreißt, so rannte ich weiter. Heilen? Das war kein Heilen. Heilen bedeutet Sanftheit, Erholung und Zeit. Heilen, das wusste ich plötzlich, war nichts, was ein Mensch mit einem anderen machte. Heilen war etwas, was der Körper selber tat, wenn man ihm nur Zeit und Ruhe dafür verschaffte. Diese Art des Heilens war, als würde man sich die Füße anzünden, um die Hände zu wärmen. Mein Körper streifte verrottetes Fleisch ab und spülte giftige Flüssigkeiten hinaus. Doch man kann nichts aus einer Struktur entfernen, ohne es zu ersetzen, von irgendwoher mussten neue Ziegel kommen. Mein Körper stahl von sich selbst, und ich spürte, wie er das tat, doch ich konnte diesen Prozess nicht aufhalten. Ich wurde geheilt, doch auf Kosten der Stärke des Ganzen. Nachdem es getan war, und in die Welt um mich herum wieder Stille einkehrte, blickte ich aus all dem Dreck und Gift, das mein Körper ausgeschieden hatte, zu ihnen hinauf, und besaß noch nicht einmal mehr genügend Kraft zu blinzeln.
Sie schauten auf mich hinunter, die Vier, die meinen Leib wieder aufgebaut hatten. Der alte Mann, der goldene Fürst, der Prinz und der Idiot starrten mich an. In ihren Blicken mischten sich Ehrfurcht, Angst, Zufriedenheit und Reue.
Pflichtgetreus Kordiale hatte sich geformt. Es war die armseligste Art, fünf Menschen miteinander zu verbinden, die ich mir vorstellen konnte. Seit Kreuzfeuers Kordiale der Krüppel hatte es nicht mehr eine solch missgestaltete Ansammlung von Gabennutzern gegeben. Der Narr verfügte eigentlich gar nicht über die Gabe, sondern nur über die silbernen Schatten auf seinen Fingerspitzen und die Verbindung zu mir, die wir nun schon so lange teilten. Im Gegensatz dazu besaß Dick die Gabe im Übermaß, nur hatte er weder das Wissen noch den Ehrgeiz, sie korrekt einzusetzen. Ich gebot ebenfalls über die Gabe, nur war sie bei mir unvorhersehbar, schlecht ausgebildet und unzuverlässig. Und Chade, die Götter mochten uns beistehen, hatte sein Talent erst am Ende seines Lebens entdeckt. Er schwang sie wie ein kleiner Junge sein Holzschwert, ohne auch nur zu ahnen, was eine scharfe Klinge anrichten konnte. Er besaß Wissen und Ehrgeiz im Übermaß, doch nicht die natürliche Beziehung zur Gabe wie zum Beispiel Dick. Nur im Falle unseres Prinzen waren Geist und Ehrgeiz im Einklang … wäre da nicht der Makel der Alten Macht gewesen.
Ich dachte zu dem hinauf, was ich schlicht dadurch geschaffen hatte, dass ich beinahe gestorben war, und mich verließ der Mut. Katalyst … ha! Eine Kordiale sollte dem Weitsehermonarchen in Zeiten der Not ihre Kraft leihen. Diese hier konnte ohne ihn nicht funktionieren. Außerdem hätte sie auf der Kameradschaft der einzelnen Mitglieder gegründet sein sollen. Das hier glich jedoch mehr dem zufälligen Aufeinandertreffen von Reisenden in einem Gasthof.
Ein Teil des Kummers, der mich plagte, muss mir anzusehen gewesen sein, denn Chade kniete sich neben mein Bett und ergriff meine Hand. »Es ist alles gut, mein Junge«, sagte er. »Du
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