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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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verspotteten mich die anderen Gäste und fragten, wie ich mich so als Hering fühlte, nun da der große Fisch gekommen sei. Ich wusste nicht, was sie meinten, doch sie hatten es mir rasch erklärt. In allen Einzelheiten, Tom! Ich war noch nie so gedemütigt worden. Ich bin geflohen und habe mich viel zu sehr geschämt, wieder zurückzugehen, aus Furcht, ihnen über den Weg zu laufen. Ein Teil von mir will das, ein Teil von mir will dem Seemann sagen, dass sie ihn betrogen hat, und ihr, wie wertlos sie ist. Doch ein anderer Teil von mir sehnt sich danach, gegen ihn zu kämpfen, um Svanja so wieder an meine Seite zurückzuholen. Ich komme mir nicht nur wie ein Idiot, sondern auch wie ein Feigling vor.«
    »Du bist weder das eine noch das andere«, versicherte ich ihm wohlwissend, dass er mir nicht glauben konnte. »Einfach wegzugehen, war das Klügste, was du tun konntest. Wenn du gegen ihn gekämpft und sie zurückgewonnen hättest, was hättest du dann gehabt? Eine Frau, die nicht besser als eine läufige Hündin ist und dem stärksten Rüden hinterherläuft. Stell sie zur Rede, und lass sie verächtlich über dich herziehen, und du wirst deine Demütigung nur noch vergrößern. Betrachte es wie folgt, wenn dich das tröstet: Sie wird sich stets darüber wundern, wie leicht du sie hast gehen lassen.«
    »Das ist ein schwacher Trost. Tom. Gibt es überhaupt so etwas wie eine wahrhaftige Frau?« Er fragte das in einem derart verzweifelten Tonfall, dass es mir einen Stich versetzte, ihn so desillusioniert zu sehen.
    »Ja, das gibt es«, versicherte ich ihm. »Und du bist noch jung und wirst noch jede Menge Gelegenheiten haben, eine solche Frau für dich zu finden.«
    »Nicht wirklich«, erklärte er. Plötzlich stand er auf. Ein müdes Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. »Ich habe nämlich keine Zeit, nach einer zu suchen. Tom, es tut mir leid, dass ich dich nur so kurz besuchen kann, aber ich muss rechtzeitig in die Werkstatt zurück. Der alte Gindast ist ein strenger Meister. Seit er von deiner Verletzung gehört hat, hat er mir jeden Sonnenaufgang Zeit gegeben, dich zu besuchen, aber er besteht darauf, dass ich die Arbeit abends nachhole.«
    »Dann ist er sehr klug. Arbeit ist das beste Heilmittel für alle Sorgen. Auch für ein gebrochenes Herz. Stürz dich in deine Aufgaben, Harm, und tadele dich nicht für deine Dummheit. Jeder Mann begeht auf diesem Gebiet sein eigenes Maß an Fehlern.«
    Er blickte mich an. Dann schüttelte er den Kopf. »Jedes Mal, wenn ich glaube, wieder ein wenig erwachsener geworden zu sein, schaue ich mich um und sehe, dass ich mich wieder wie ein Kind benehme. Ich bin hierher gekommen, um zu sehen, wie es dir geht, doch kaum bin ich bei dir, da jammere ich dir die Ohren mit meinen eigenen Sorgen voll. Du hast mir nichts davon erzählt, was du durchgemacht hast.«
    Ich brachte ein Lächeln zustande. »Dabei wollen wir es auch belassen, Sohn. Es gibt dabei nichts, woran ich mich erinnern will. Lass uns das hinter uns lassen.«
    »Für jetzt zumindest. Morgen besuche ich dich wieder.«
    »Nein, nein, tu das nicht. Wenn du bis jetzt jeden Tag gekommen bist, musst du das doch allmählich müde sein. Ich erhole mich gut, wie du sehen kannst. Schon bald werde ich dich wieder besuchen können, und dann werde ich Gindast bitten, dir einen Nachmittag frei zu geben, damit wir miteinander reden können.«
    »Das würde mir gefallen«, sagte er, und die Ernsthaftigkeit in seiner Stimme machte mir Mut. Er drückte sich an mich, bevor er ging, und ich fürchtete, er würde mir die geschwächten Knochen mit seiner jugendlichen Stärke brechen. Dann verließ er mich, und ich schaute ihm hinterher. Zum ersten Mal seit Monaten hatte ich das Gefühl, Harm wieder zurück zu haben. Mühsam zog ich die alten Kleider aus und frische an. Meine Erleichterung, Harm wiederzuhaben, ging jedoch mit Schuldgefühlen einher. Ich konnte ihn nicht ewig wie einen kleinen Jungen behandeln. Ich durfte nicht erwarten, dass er für immer ›mein Harm‹ bleiben würde, ebenso wenig wie Chade hoffen konnte, dass ich für immer sein ›Junge‹ sein würde. Über sein gebrochenes Herz und seine Enttäuschung erleichtert zu sein, weil die ihn zu mir zurückgebracht und ihn von meiner Weisheit überzeugt hatten, war eine Art von Verrat von meiner Seite aus. Wenn ich ihn das nächste Mal traf, würde ich ihm gestehen, dass ich nicht gewusst hatte, dass Svanja ihn hintergehen würde, sondern dass ich nur gefürchtet hatte, sie

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