Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
zuckte zurück, blieb dann jedoch stehen. Mit leiser, zitternder Stimme fragte er: »Die Tätowierungen der Narcheska … Waren sie wie diese hier?«
»Darf ich näher kommen?«, brachte ich mühsam hervor. Ich musste das eigentlich gar nicht. Falls diese Tätowierungen nicht mit Ellianias identisch waren, so waren sie ihnen doch extrem ähnlich. Der Narr nickte knapp, und ich trat einen weiteren Schritt in den Raum. Er blickte mich nicht an, sondern starrte in eine der düsteren Ecken. Im Raum war es nicht kalt, dennoch zitterte er. Die exotische Nadelarbeit begann im Nacken und bedeckte seinen gesamten Rücken, bis sie in der Hose verschwand. Zwei ineinander gewundene Schlangen und geflügelte Drachen breiteten sich in schier unglaublichen Einzelheiten über seinen glatten goldenen Rücken aus. Die kräftigen Farben besaßen einen metallischen Glanz, als hätte man pures Gold und Silber in die Bilder eingearbeitet. Jede Klaue und jede Schuppe, jeder Zahn und jedes blitzende Auge, alles war perfekt. »Sie sind sich sehr ähnlich«, erklärte ich schließlich. »Abgesehen davon, dass deine Tätowierung flach auf der Haut aufliegt. Eine von ihren, die größte Schlange, war geschwollen, als hätte sie sich entzündet, und es sah so aus, als litte die Narcheska große Schmerzen.«
Der Narr sog schaudernd die Luft ein. Seine Zähne standen kurz davor zu klappern, als er bitter bemerkte: »Nun. Gerade als ich glaubte, dass sie ihre Grausamkeit nicht mehr vergrößern könnte, hat sie einen Weg dafür gefunden. Das arme, arme Kind.«
»Tun deine weh?«, fragte ich vorsichtig.
Er schüttelte den Kopf. Noch immer blickte er mich nicht an. Ein paar Haarsträhnen lösten sich aus seinem Griff und fielen ihm über die Schulter. »Nein. Jetzt nicht. Aber das Auftragen der Tätowierungen war äußerst schmerzhaft, und es hat sehr lange gedauert. Sie haben mich stundenlang festgehalten. Dabei haben sie sich immer wieder entschuldigt und mich getröstet. Das machte es jedoch nur noch schlimmer … dass Menschen, die mich ansonsten mit so viel Liebe und Respekt behandelten, mir so etwas antun konnten. Einem Kind so etwas anzutun, ist noch furchtbarer. Egal welchem Kind.« Er wankte leicht vor und zurück und hatte die Schultern angezogen. Seine Stimme klang wie aus weiter Ferne.
»Sie?«, fragte ich sanft.
Er schauderte und erwiderte angespannt: »Es geschah an einem Ort, der einer Schule sehr ähnlich war. Lehrer und studierte Leute. Ich habe dir schon davon erzählt. Ich bin von dort weggerannt. Meine Eltern haben mich dort hingeschickt. Voller Kummer und Stolz haben sie sich von mir getrennt, weil ich ein Weißer bin. Es war weit weg von unserem Heim. Sie wussten, dass sie mich vermutlich nie wiedersehen würden, aber sie wussten auch, dass sie das Richtige taten. Ich hatte ein Schicksal zu erfüllen. Aber meine Lehrer bestanden darauf, dass es bereits einen Weißen Propheten für diese Zeit gebe. Sie hatte schon bei ihnen studiert und sich aufgemacht, ihr Schicksal im hohen Norden zu erfüllen.« Plötzlich drehte er den Kopf und blickte mir in die Augen. »Vermutest du schon, von wem ich spreche?«
Ich nickte steif. Mir war kalt. »Die Bleiche Frau. Kebal Steinbrots Ratgeberin während des Kriegs der Roten Schiffe.«
Der Narr nickte ebenso steif. Wieder wandte er den Blick von mir ab und starrte in eine dunkle Ecke des Raums. »Ich mochte ja ein Weißer sein, aber ich konnte kein Weißer Prophet sein. Deshalb musste es sich bei mir um etwas Abnormales handeln. Eine Kreatur, die außerhalb von Zeit und Ort geboren worden war. Sie waren von mir fasziniert, lauschten jedem meiner Worte und zeichneten meine Träume auf. Sie hüteten mich wie einen Schatz und behandelten mich gut. Sie hörten mir zu, aber sie schenkten dem, was ich sagte, nie wirklich Beachtung. Und als die Bleiche Frau von mir hörte, befahl sie ihnen, dass sie mich dort behalten sollten. Und das taten sie. Später befahl sie, dass ich auf solche Art gezeichnet werden sollte, und auch das haben sie getan.«
»Warum?«
»Ich weiß es nicht. Außer vielleicht, dass wir beide von diesen Wesen geträumt haben, den Seeschlangen und Drachen. Aber vielleicht tut man so etwas auch einfach mit einem überschüssigen Weißen Propheten. Man bedeckt ihn, bis er nicht länger weiß ist.« Seine Stimme klang immer angespannter und härter. »Es hat mich beschämt, auf diese Weise gezeichnet worden zu sein und das nach ihrem Willen. Jetzt, da ich weiß, dass auch die
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