Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
mich traurig an. »Du verstehst es. Du weigerst dich schlicht, es zu akzeptieren.« Er hielt einen Augenblick inne und erklärte dann schlicht: »In der Welt, die ich zu formen gedenke, lebst du. Ich bin der Weiße Prophet, und du bist mein Katalyst. Die Linie der Weitseher hat einen Thronerben und regiert. Das ist nur ein Faktor, aber ein Schlüsselfaktor. In der Welt, nach der die Bleiche Frau strebt, existierst du nicht. Somit wirst du nicht überleben. Es gibt keinen Weitsehererben. Die Linie der Weitseher scheitert vollkommen. Es gibt keinen abtrünnigen Weißen.« Er ließ den Kopf in die Hände fallen und sprach durch die Finger. »Sie betreibt deinen Tod, Fitz. Was sie dafür tut, ist subtil. Sie ist älter als ich und weiter entwickelt. Sie spielt ein schreckliches Spiel. Die Henja der Narcheska ist ihre Kreatur. Nicht, dass du es falsch verstehst: Ich durchschaue ihre Intrige nicht, und ich weiß auch nicht, warum sie Pflichtgetreu die Narcheska anbietet. Aber sie steht hinter all dem, dessen bin ich sicher. Sie schickt dir den Tod, und ich versuche, dich ihm aus dem Weg zu reißen. Bis jetzt waren wir beide ihr immer ebenbürtig. Aber es war mehr dein Glück als meine Klugheit, was dich gerettet hat. Dein Glück und dein … Wage ich es zu sagen? Deine Magie. Beide Arten davon. Trotzdem stehen die Chancen immer gegen dich und dein Überleben. Ich will nicht mehr der Weiße Prophet sein. Ich will nicht mehr, dass du mein Katalyst bist.« Seine Stimme war zu einem krächzenden Flüstern geworden. »Aber es gibt keine Möglichkeit, es zu beenden. Das Einzige, was dem ein Ende machen kann, ist dein Tod.« Plötzlich schaute er sich erregt um. Ich fand die Brandweinflasche und stellte sie in seine Reichweite. Er machte sich noch nicht einmal die Mühe, sich ein Glas einzuschenken. Nachdem er sie wieder abgesetzt hatte, nahm ich sie mir.
»Das wird dir auch nicht helfen«, sagte ich ernst.
Er lächelte mich an. »Ich kann deinen Tod nicht noch einmal durchstehen. Das kann ich einfach nicht.«
»Du kannst das nicht?«
Er kicherte verzweifelt. »Siehst du? Wir sitzen in der Falle. Ich habe dich in die Falle gelockt, mein Freund. Mein Geliebter.«
Ich versuchte, in meinem Geist zu ordnen, was er mir gerade gesagt hatte. »Wenn wir verlieren, sterbe ich«, sagte ich.
Er nickte. »Wenn du stirbst, verlieren wir. So oder so ist es das Gleiche.«
»Was passiert, wenn ich lebe?«
»Dann gewinnen wir. Nicht, dass die Chancen dafür jetzt noch sonderlich groß wären, und es wird immer schlimmer, würde ich sagen. Dass wir verlieren werden, ist nun sehr wahrscheinlich. Du stirbst, und die Welt stürzt in Dunkelheit hinab. Und Hässlichkeit. Verzweiflung.«
»Hör auf, so fröhlich zu sein.« Diesmal trank ich aus der Flasche; dann gab ich sie an ihn weiter. »Aber was, wenn ich lebe? Was, wenn wir gewinnen? Was dann?«
Er setzte die Flasche wieder ab. »Was dann? Ah.« Er lächelte wohlwollend. »Dann dreht sich die Welt weiter, mein Freund. Kinder rennen durch die verschlammten Straßen. Hunde bellen vorbeifahrenden Wagen hinterher. Freunde sitzen beieinander und trinken Brandwein zusammen.«
»Das klingt nicht viel anders als das, was wir haben«, bemerkte ich säuerlich. »Wir sollen also das alles durchstehen und überhaupt keinen Unterschied machen.«
»Genau«, bestätigte er mir. Seine Augen füllten sich wieder mit Tränen. »Es wird nicht viel anders sein als die wunderbare, erstaunliche Welt, die wir jetzt haben. Jungen verlieben sich in Mädchen, die nicht die Richtigen für sie sind. Wölfe jagen auf den verschneiten Ebenen; Drachen gleiten wie wunderschöne, juwelenbesetzte Schiffe durch den Himmel. Und die Zeit. Die Zeit geht endlos für uns weiter.«
»Drachen. Das klingt anders.«
»Tut es das?« Erneut wurde seine Stimme zu einem Flüstern. »Tut es das wirklich? Ich denke nicht. Erinnere dich mit deinem Herzen. Geh zurück, zurück und zurück. Die Himmel dieser Welt waren immer für die Drachen bestimmt. Wenn sie nicht da sind, vermissen die Menschen sie. Manche denken natürlich nie an sie, aber Kinder blicken oft von klein auf in den Himmel und halten nach etwas Ausschau, das niemals kommt. Denn sie wissen es. Irgendetwas, was dort sein sollte, ist verschwunden. Irgendetwas, das wir wieder zurückbringen müssen, du und ich.«
Ich legte das Gesicht in die Hand und rieb mir die Stirn. »Ich dachte, wir sollten die Welt retten. Was hat das mit Drachen zu tun?«
»Es ist alles miteinander
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