Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
folgte, klopfte ich laut an die Tür. Als ich den Raum betrat, fand ich sowohl Kettricken als auch Chade mit hochroten Köpfen, aber gefasst vor. Ich kam mir wie ein Kind vor, dass seine Eltern bei einem Streit überrascht hatte. Einen Augenblick später machte sich Chade jedoch daran, mich auch in den Streit mit reinzuziehen.
»Wie konntest du das zulassen?«, verlangte er von mir zu wissen. »Warum hast du mich nicht informiert? Geht es dem Prinzen gut? Ist ihm etwas geschehen?«
»Es geht ihm gut …«, begann ich, doch Kettricken unterbrach mich. »Wie konnte er das zulassen? Ratgeber Chade, jetzt gehst du entschieden zu weit. Viele Jahre lang hast du mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden, und du hast mich gut beraten, aber wenn du noch einmal deinen Platz in der Hierarchie vergisst, sind wir geschiedene Leute. Du bist hier, um mich zu beraten, nicht um Entscheidungen zu treffen und sicherlich nicht um meinen Willen zu umgehen! Glaubst du etwa, ich hätte nicht genauestens über jeden Aspekt dieser Angelegenheit nachgedacht? Dann folge einmal meinen Gedanken, o du, der du mich diese Art von Denken gelehrt hast. Fitz ist hier, und durch ihn werde ich wissen, ob mein Sohn in irgendeiner Form gedemütigt wird. Meinem Sohn zur Seite steht eine Frau, die mit den Sitten und Bräuchen des Alten Blutes vertraut und mir treu ist. Außerdem kann sie durchaus eine Waffe führen, sollte es notwendig sein. Ich wiederum habe ein Dutzend Leute in meiner Gewalt, deren Leben im selben Augenblick in Gefahr sind, da meinem Prinzen irgendetwas widerfährt. Du hast ihre Forderung nach einer Geisel mit der Begründung abgelehnt, sie würden zwar protestieren, aber sich schlussendlich doch mit uns treffen. Laurel hat mir etwas anderes geraten. Sie kennt das Misstrauen der Zwiehaften gegenüber den Weitsehern nur allzu gut, und dieses Misstrauen gründet sich auf Generationen voller Ungerechtigkeiten. Sie hat gesagt, wir müssten ihnen eine Geisel anbieten, und zwar eine von gutem Stand. Wen hätte ich ihnen denn anbieten sollen? Mich selbst? Das war tatsächlich mein erster Gedanke, aber wer wäre dann hier, um mit ihnen zu verhandeln? Mein Sohn, der sich in den Augen vieler noch bewähren muss? Nein. Ich musste hier bleiben. Ich habe auch über andere Alternativen nachgedacht. Hätte ich einen Adeligen schicken sollen, der sie fürchtet und verachtet, und das gegen den Widerstand der Herzöge? Hätte ich dich schicken sollen? Dann wäre ich deines Rats beraubt gewesen. FitzChivalric? Um ihn wertvoll genug zu machen, hätte ich seine Identität preisgeben müssen. So bin ich schließlich auf meinen Sohn gekommen. Er ist für beide Seiten wertvoll und das für alle auch nur bei lebendigem Leib. Während der Verhandlungen haben sie mir gegenüber kein Geheimnis daraus gemacht, dass sie wissen, dass er über die Alte Macht verfügt. Somit gehört er in vielerlei Hinsicht sowohl zu ihnen wie auch zu uns. Er kann ihre Situation verstehen, weil er sich selbst darin befindet. Außerdem bezweifele ich nicht, dass er in ihrer Gesellschaft mehr lernen wird, als wenn er während der Verhandlungen an meiner Seite geblieben wäre. Was er dort lernt, wird ihn schlussendlich zu einem besseren König für all seine Untertanen machen.« Sie hielt inne. Dann fügte sie ein wenig atemlos hinzu: »Nun, Ratgeber Chade. Zeig mir meinen Fehler.«
Chade saß einfach nur da, schaute sie an und hatte den Mund ein wenig geöffnet. Ich versuchte erst gar nicht, meine Bewunderung zu verbergen. Dann grinste Kettricken mich an, und ich sah grüne Funken in Chades Augen.
Er ließ den Mund wieder zuschnappen. »Du hättest es mir vorher sagen können«, erklärte er in bitterem Tonfall. »Ich mag es nicht, wie ein Narr auszusehen.«
»Dann zeig dich fröhlich und überrascht wie der Rest«, riet ihm Kettricken gereizt. Mit deutlich sanfterer Stimme fügte sie hinzu: »Alter Freund, ich weiß, dass ich deine Gefühle verletzt habe, und dass du dir nur Sorgen um das Wohlergehen meines Sohnes machst. Aber hätte ich dich in dieser Sache ins Vertrauen gezogen, du hättest mich davon abgehalten. Stimmt's?«
»Vielleicht. Aber das heißt noch lange nicht …«
»Halte Frieden«, beruhigte sie ihn. »Es ist getan, Chade. Jetzt akzeptiere es. Ich bitte dich, geh wegen dieser Sache nicht weniger gerecht und flexibel in die Verhandlungen.« So schnell hatte sie ihn zum Schweigen gebracht. Dann drehte sie sich zu mir um. »Dich will ich hinter der Wand wissen,
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