Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
das gemacht wird, Junge‹, oder ›Wiederhole, was ich dir gerade gesagt habe‹, und ›Das ist nicht, wonach ich gefragt habe. Bring das ins Holzlager zurück, und hol die fein gemaserte Kirsche. Und mach schnell.‹ Und Tom, sie geben mir böse Spitznamen. Landjunge und Dummkopf.«
»Gindast gibt all seinen Lehrjungen Spitznamen, Harm.« Jinnas gelassene Stimme war beruhigend und tröstend zugleich, aber ich empfand es trotzdem als seltsam, dass eine dritte Person unser Gespräch mit anhörte. »Das ist allgemein bekannt«, fuhr sie fort. »Einer von ihnen hat den Spitznamen sogar behalten, als er von ihm fortgegangen ist und sein eigenes Geschäft aufgemacht hat. Jetzt zahlt man gute Preise für einen Einfaltspinsel-Tisch.« Jinna war zu ihrem Stuhl zurückgekehrt. Sie hatte wieder zu stricken begonnen, sich aber nicht gesetzt. Der Stuhl gehörte noch immer dem Kater.
Ich versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr Harms Worte mich verzweifeln ließen. Ich hatte zu hören erwartet, wie sehr er seine Stellung liebte und wie dankbar er dafür war, dass ich sie für ihn aufgetrieben hatte. Ich hatte geglaubt, dass diese Lehre die eine Sache war, die richtig laufen würde. »Nun. Ich habe dich ja gewarnt, dass du hart würdest arbeiten müssen«, versuchte ich es.
»Darauf war ich auch vorbereitet. Tom, das war ich wirklich. Ich bin bereit, den ganzen Tag Holz zuzuschneiden und anzupassen; aber ich habe nicht erwartet, dass ich mich zu Tode langweilen würde. Putzen und Fegen und Botengänge … Für das, was ich hier lerne, hätte ich genauso gut zu Hause bleiben können.«
Nur wenige Dinge besitzen eine solch scharfe Schneide wie die unbedachten Worte eines Jungen. Seine Verachtung für unser altes Leben, die er so offen aussprach, verschlug mir die Sprache.
Vorwurfsvoll blickte er mir in die Augen. »Und wo warst du, und warum warst du so lange weg? Hast du nicht gewusst, dass ich dich gebraucht habe?« Dann kniff er die Augen zusammen. »Was hast du mit deinem Haar gemacht?«
»Ich habe es abgeschnitten«, antwortete ich. Selbstbewusst strich ich mir über die aus Trauer kurz geschnittenen Locken. Plötzlich vertraute ich mir selbst nicht mehr genug, um noch mehr zu sagen. Er war nur ein Junge, das wusste ich, und als solcher neigte er dazu, alle Dinge erst einmal daraufhin zu betrachten, wie sie ihn selbst betrafen. Aber die Knappheit meiner Antwort rüttelte ihn wach und ließ ihn vermuten, dass ich vieles noch nicht gesagt hatte.
Sein Blick wanderte über mein Gesicht. »Was ist passiert?«, verlangte er zu wissen.
Ich atmete tief durch. Jetzt konnte ich nichts mehr verschweigen. »Nachtauge ist tot«, sagte ich leise.
»Aber … Ist das meine Schuld? Er ist mir weggelaufen, Tom, aber ich habe ihn gesucht, das schwöre ich, Jinna wird dir bestätigen …«
»Es war nicht deine Schuld. Er ist mir gefolgt und hat mich gefunden. Ich war bei ihm, als er gestorben ist. Es hatte nichts mit dem zu tun, was du getan hast, Harm. Er war einfach nur alt. Seine Zeit war gekommen, und er ist von mir gegangen.« Trotz aller Bemühungen, meine Trauer zu unterdrücken, zog sich mein Hals bei diesen Worten zusammen.
Die Erleichterung im Gesicht des Jungen darüber, dass er keine Schuld trug, versetzte meinem Herz einen weiteren Stich. War schuldlos zu sein wichtiger für ihn als der Tod des Wolfs? Doch als er sagte, »Ich kann einfach nicht glauben, dass er weg ist«, verstand ich ihn plötzlich. Er sprach die unverhohlene Wahrheit. Es würde einen Tag dauern, vielleicht auch mehrere, bis er wirklich begriff, dass der alte Wolf nie wieder zurückkehren würde. Nachtauge würde sich nie wieder neben ihn vor den Kamin legen, ihn nie wieder an die Hand stupsen, um hinter den Ohren gekrault zu werden, und nie wieder mit ihm auf Hasenjagd gehen. Mir traten die Tränen in die Augen.
»Du wirst schon damit zurechtkommen. Es braucht nur seine Zeit«, versicherte ich ihm mit belegter Stimme.
»Lass uns das hoffen«, erwiderte er in schwerem Tonfall.
»Geh ins Bett. Du kannst immer noch eine Stunde schlafen, bevor du wieder aufstehen musst.«
»Ja«, stimmte er mir zu. »Ich nehme an, das wäre besser.« Dann trat er einen Schritt auf mich zu. »Tom. Es tut mir so leid«, sagte er, und seine unbeholfene Umarmung linderte viel von dem Schmerz, den er mir zuvor zugefügt hatte. Dann blickte er mir in die Augen und fragte ernst: »Du wirst doch morgen Abend vorbeikommen, oder? Ich muss mit dir reden. Es ist sehr
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