Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
das aufsässige Tier an der Mähne und schaute in den Himmel hinauf. Er blickte' mir nicht in die Augen. »Es wird allmählich dunkel. Wir können von Glück sagen, dass der Prinz sich bei dem Sturz nicht ernsthaft verletzt hat.« Dann drehte er sich zu unseren Schützlingen um. »Wir sollten jetzt zurückkehren. Die Ponys sind müde vom Springen, und die Nacht bricht bald herein.«
Ich fragte mich, ob er mich vor einer größeren Gefahr warnen wollte als der, dass der Prinz sich beim Sturz verletzen könnte. Ich nahm ihn noch einmal beiseite. »Glaubt Ihr, dass die alte Frau in Ordnung ist? Sollten wir nicht nach ihr sehen? Sie schien große Angst zu haben. Ich frage mich, was sie hinter diesen Felsen gemacht hat.«
Mit teilnahmsloser Miene und ebensolcher Stimme erwiderte Peottre: »Sie hat vermutlich nur Zunder gesammelt. Oder Kräuter, oder Wurzeln. Ich denke nicht, dass wir uns um sie sorgen müssen.« Er hob die Stimme. »Elliania! Der Spaß ist vorbei. Wir sollten ins Mütterhaus zurückkehren.«
Ich habe Ellianias Gesicht gesehen, als du Henja verjagt hast. Die Narcheska war erschrocken. Und jetzt hat sie Angst.
Das brüske Nicken, mit dem ich Peottres Worte beantwortete, bestätigte die Meinung meines Prinzen. Elliania ließ sich sofort vom Pferderücken gleiten, nahm dann das Hackamore vom Kopf des Tiers und ließ es laufen. Peottre tat das gleiche mit dem Pony des Prinzen, und plötzlich fand ich mich an der Seite der drei wieder, und wir gingen zum Haus zurück. Elliania und Pflichtgetreu gingen voraus, und das Schweigen, das zwischen ihnen herrschte, bildete einen traurigen Kontrast zu der vorangegangenen Freude. Ich fühlte mit Pflichtgetreu. Er lernte allmählich, dieses Outislandermädchen zu lieben, doch jedes Mal wenn sie einander näher kamen, trieb die Politik einen Keil zwischen sie. Plötzlich überkam mich Wut, und ich sprach übereilt: »Das war doch Henja, oder? Die Frau, die sich in den Büschen versteckt hat. Wenn ich mich recht erinnere, war sie in der Bocksburg die Dienerin der Narcheska.«
Eins musste ich Peottre lassen: Er bewahrte die Fassung. Obwohl er mich nach wie vor nicht ansehen konnte, blieb seine Stimme ruhig. »Das bezweifele ich. Noch bevor wir die Bocksburg verlassen haben, hat sie den Dienst bei uns quittiert. Wir haben beide geglaubt, dass sie in den Sechs Provinzen glücklicher sein würde, und so haben wir sie gerne gehen lassen.«
»Vielleicht ist sie ja wieder nach Wuislington zurückgekehrt. Vielleicht hatte sie Heimweh.«
»Das hier ist nicht ihre Heimat: Sie stammt nicht aus unserem Mütterhaus«, erklärte Peottre mit fester Stimme.
»Wie seltsam.« Ich war fest entschlossen, rücksichtslos nachzuhaken. Als einfacher Gardist erwartete man von mir kein Taktgefühl, nur Neugierde. »Ich dachte, in diesem Land sei die mütterliche Linie bedeutender als alles andere; deshalb erschien es mir nur logisch, dass jemand, der der Narcheska aufwartet, auch zu ihrem Mütterhaus gehört.«
»Normalerweise ist das auch so.« Peottres Tonfall wurde steifer. »Als wir losgesegelt sind, konnten wir jedoch keine Frau entbehren. Deshalb haben wir sie angeheuert.«
»Verstehe.« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich habe mich nur gefragt, warum Ellianias Mutter und Schwestern ihr jetzt nicht aufwarten. Sind sie tot?«
Peottre schauderte, als hätte ich ihm ein Messer in die Brust gerammt. »Nein. Das sind sie nicht.« Bitterkeit schlich sich in seine Stimme. »Ihre beiden Brüder sind allerdings tot. Sie sind im Krieg Kebal Raubarts gefallen. Ihre Mutter und ihre jüngere Schwester leben, doch sie sind... sie halten sich andernorts auf, in einer wichtigen Angelegenheit. Aber wenn sie jetzt hier sein könnten, würden sie ihr natürlich aufwarten.«
»Oh, dessen bin ich sicher«, erwiderte ich. Ich war überzeugt, dass er die Wahrheit gesagt hatte, Und zwar ebenso überzeugt, wie ich davon war, dass ich nicht die
ganze
Wahrheit gehört hatte.
Spät in jener Nacht, als Dick schon fest schlief, erstattete ich Chade mittels der Gabe Bericht. Dabei versuchte ich, meine Gedanken nur auf den alten Mann zu fokussieren und von meiner Gabenverbindung mit dem Prinzen fernzuhalten. Ich fühlte seinen unruhigen Schlaf. Der unterschwellig spürbare Frust und die Ungeduld des Jungen zehrten an meinen Nerven. Ich versuchte, seine Emotionen beiseite zu schieben, während ich Chade alles berichtete, worüber Peottre und ich gesprochen hatten. Chade war zwar verärgert ob meiner Offenheit mit
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