Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
dass die länger werdenden Schatten ihn schwerer zu erkennen machen würden, sobald die Sonne tiefer sank. Verärgert blickte ich zu Dick zurück. Er ging langsamer denn je.
Wütend sowohl ob seines Befehls, still zu sein, als auch ob seiner Langsamkeit drehte ich ihm den Rücken zu und ging strammen Schrittes von ihm fort. Dabei vergaß ich jedoch nicht, bei jedem Schritt den Schnee vor mir zu prüfen. Ich dachte, Dick würde den Kopf heben und bemerken, dass ich ihn zurückließ; doch als ich zurückblickte, schlurfte er noch immer gedankenverloren hinterher. Verzweifelt schaute ich zu ihm, und mir fiel etwas in seinen Bewegungen auf. Es war wie ein Tanz. Er stocherte im Schnee herum, stocherte und stocherte, und machte dann einen großen, weit ausholenden Schritt. Dann stocherte er wieder und stocherte und machte einen Schritt mit dem anderen Fuß. Ich senkte meine Mauern, um seiner allgegenwärtigen Musik zu lauschen. Für gewöhnlich erkannte ich die Elemente, die er in sie einband; aber heute war jeder Schritt wie eine Brise, während das Stochern, Stochern und Stochern die Trommeln waren. Ich schottete mich von der Musik ab und lauschte mit meinen Ohren, fand aber kein entsprechendes Geräusch auf der Insel.
Da ich stehen geblieben war, hatte Dick mich fast eingeholt. Er blickte vom Schnee zu mir hinauf und sah, dass ich ihn beobachtete. Er verzog das Gesicht und schaute dann an mir vorbei. Die Falten auf seinem Gesicht vertieften sich. »Sie sind weg! Warum hast du sie nicht im Auge behalten? Jetzt sind sie weg, und wir wissen nicht, wo sie hingegangen sind!«
»Alles in Ordnung, Dick«, sagte ich in ruhigem Ton. »Ich kann ihre Spur noch immer sehen. Und schau mal: Da ist ein Stecken mit einem Tuch oben auf der Anhöhe. Wir werden sie schon einholen, aber nur wenn wir uns beeilen.« Ich versuchte, meine Sorge zu verbergen, dass die Nacht bald einbrechen würde. Ich wollte nicht alleine von der Dunkelheit überrascht werden.
Dick hob plötzlich den Arm und deutete auf die Anhöhe. »Schau! Alles ist gut! Da ist einer von ihnen!«
Ich blickte in die entsprechende Richtung und glaubte, der Prinz habe jemanden geschickt, uns den richtigen Weg zu weisen. Dick hatte Recht. Da war jemand. Doch selbst auf diese Entfernung und in dem nachlassenden Licht wusste ich, dass er nicht zu unserer Gruppe gehörte. Er bewegte sich schnell und seltsam, und doch kam mir sein Gang bekannt vor. Ich sah nur seine Silhouette, dann verschwand er hinter dem Bergkamm. Ein Schauder lief mir über den Rücken, und rasch nahm ich Kontakt zu Chade und Pflichtgetreu auf.
Der Schwarze Mann! Ich glaube, der Schwarze Mann folgt euch!
Einen Augenblick später bereute ich meine Panik. Pflichtgetreu konnte seine Belustigung nicht verbergen.
Ich kann niemanden sehen, Fitz. Nur Schnee und Schatten. Seid ihr schon auf dem Weg die große Schneewehe hinauf?
Wir haben noch nicht einmal mit dem Aufstieg begonnen. Dick ist abgelenkt und bewegt sich nur langsam.
Nicht abgelenkt!
Wieder erschrak ich, weil Dick Gedanken einfach so aufschnappte, die nicht für ihn bestimmt waren;
Ich lausche der Musik, das ist alles. Nur ihr unterbrecht sie dauernd.
Chades mischte sich in das Gespräch.
Ich habe Peottre gefragt, ob wir bald für die Nacht anhalten werden, und er hat das bestätigt. Wenn ihr den Kamm erreicht, müsstet ihr uns sehen können. Er hat mir bereits den Lagerplatz gezeigt. Da es hier keinerlei Unterschlupf gibt, werdet ihr auch keine Schwierigkeiten haben, die Lagerfeuer zu sehen.
Lagerfeuer? Gibt's bald was zu essen?
Ja, Dick, es gibt bald was zu essen. Ich habe etwas Gebäck vom Schiff mitgenommen. Ich werde es mit dir teilen, wenn du dort ankommst.
Ich schüttelte den Kopf, konnte aber nicht umhin, Pflichtgetreus List zu bewundern. Tatsächlich lenkte sie Dick von seiner >Musik< ab, und er willigte sogar ein, mir in meinen Fußstapfen zu folgen und mir das Stochern zu überlassen. Ich hielt Peottres Vorsicht ohnehin für übertrieben. Wenn die ganze Gruppe schon über ein Stück des Gletschers gekommen war, würde es uns auch noch halten.
Als wir den Kamm erreichten, sah ich sofort das Lager unter mir. Die größeren Zelte für die Narcheska und den Prinzen standen bereits wie Pilze auf dem Eis, und das kleinere, bunte Zelt des Narren lag etwas abseits von ihnen wie eine einsame Blüte auf dem Schnee. Das Licht aus dem Inneren ließ das Zelt in bunten Farben erstrahlen, die sich beim Näherkommen als handgemalte Schlangen und
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