Die 39 Zeichen 01 - Die Katakomben von Paris
unterwegs neue Fotos für sein Album finden.
»Ich bin mir sicher«, sagte er.
Da tat Amy plötzlich etwas total Ekliges. Sie umarmte ihn.
»Du bist echt widerlich!«, protestierte Dan.
Er schob sie weg. Amy lächelte, doch sie hatte Tränen in den Augen.
»Vielleicht bist du doch kein totaler Trottel«, sagte sie.
»Aha, schön, dann hör wenigstens auf zu heulen und lass uns raus nach - warte mal, wohin gehen wir eigentlich?«
»Heute Nacht in ein Hotel in der Stadt«, sagte sie. »Morgen dann … mir ist etwas zu Ben Franklin eingefallen.«
»Aber du hast das Buch doch gar nicht mehr.«
»Dafür habe ich das Buch nicht gebraucht. Mamas Notiz lautete:
Folgt Franklin . Ben Franklin hat als Drucker hier in Boston angefangen. Da war er noch ganz jung und hat für seinen Bruder gearbeitet.«
»Also sehen wir uns einfach in der Stadt um?«
Amy schüttelte den Kopf. »Das machen wahrscheinlich die anderen. Doch wir werden ihm dahin folgen, wo er als Nächstes hingegangen ist, also irgendwie seinem Lebensweg nachreisen. Benjamin Franklin ist nämlich nicht in Boston geblieben. Als er siebzehn wurde, ist er aus dem Geschäft seines Bruders weggelaufen und hat seine eigene Druckerei in einer anderen Stadt aufgemacht.«
»Also laufen wir auch weg! Wir folgen Franklin!«
»Genau«, sagte Amy. »Ich hoffe nur, dass sonst noch niemand daran gedacht hat. Wir müssen drei Fahrkarten nach Philadelphia besorgen.«
»Philadelphia«, wiederholte Dan. Das Einzige, was er über Philadelphia wusste, war, dass dort die Liberty Bell, die Freiheitsglocke, stand und dass es ein cooles Baseballteam gab, die Philadelphia Phillies. »Und wenn wir dort ankommen, wonach suchen wir dann?«
Amy berührte das Jadehalsband, als könnte es sie beschützen. »Ich nehme an, nach einem Geheimnis, das uns umbringen könnte.«
Siebtes Kapitel
Eine Meile entfernt am Copley Square sorgte sich Irina Spasky - Codename: Team fünf - um ihr Gift. Sie hatte ihre Fingernagelkanülen mit der üblichen Mischung gefüllt, doch sie hatte Angst, dass die zu schwach war, wenn sie das Gift bei dem anstehenden Treffen wirklich benutzen musste.
Damals im Kalten Krieg hatten sie und ihre Kollegen vom KGB gern Giftspritzen benutzt, die in Regenschirmen verborgen waren, oder Spritzlack-Gifte, die man auf Toilettensitze auftragen konnte. Das waren noch Zeiten gewesen! Nun arbeitete Irina alleine, also musste sie auf einfachere Methoden zurückgreifen. Die Kanülen traten hervor, wenn sie die Finger am ersten Glied beugte. Sie waren fast unsichtbar und erzeugten nur eine winzige Stichverletzung. Das Gift würde sein Opfer mehrere Tage lang sehr krank machen, vielleicht sogar lähmen - und das gab Irina genug Zeit, sich einen guten Vorsprung bei der Suche nach den 39 Zeichen zu verschaffen. Das Beste von allem aber war: Das Gift war später nicht aufzuspüren und es gab kein Gegenmittel.
Leider wirkte es nur langsam. Ihre Opfer würden acht Stunden oder sogar noch länger keine Symptome zeigen. Wenn sie ihre Gegner schnell außer Gefecht setzen musste, musste sie zu anderen Mitteln greifen.
Ian und Natalie Kabra durfte man zudem nicht unterschätzen. Als sie erst zehn und sieben Jahre alt waren, hatte Irina sie vielleicht
noch überrumpeln können. Jetzt waren sie vierzehn und elf und das war eine ganz andere Geschichte.
Sie schlenderte auf dem Copley Square umher und sah sich um, ob sie die beiden irgendwo entdeckte. Ian und Natalie hatten dieser Antiüberwachungstaktik zugestimmt, die Irina als Vorsichtsmaßnahme vorgeschlagen hatte, und sie hatten nur grob Zeit und Ort für ihr Treffen ausgemacht.
Die Gewitterwolken hatten sich verzogen. Es war ein schöner Sommernachmittag und Irina hasste schönes Wetter. Der ganze Sonnenschein, die Blumen, die spielenden Kinder - furchtbar. Sie mochte den stahlgrauen Winter von St. Petersburg lieber. Das Wetter dort war viel besser geeignet, um ordentlich zu spionieren.
Sie kaufte sich an einem Straßenkiosk einen Kaffee und entdeckte dann Ian und Natalie auf der anderen Seite des Platzes, wo sie vor der Trinity Church auf und ab gingen. Ihre Blicke trafen sich für einen kurzen Moment, dann gingen sie weiter.
Nun war Irina am Zug. Sie folgte ihnen in einigem Abstand und prüfte, ob die beiden auch wirklich nicht überwacht wurden oder ob irgendjemand sie aus einem Versteck heraus fotografieren konnte. Nach fünfzehn Minuten hatte sie noch immer niemanden entdeckt, und sie begann, sich sicherer zu fühlen. Jetzt
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