Die 39 Zeichen 04 - Der Schatz des Pharao
dagewesen war. Es war die Abwesenheit von etwas, auf das sie sich bisher immer verlassen hatte – Grace’ Liebe.
Sie ist fort, dachte Amy . Sie ist nicht mehr bei mir.
Sie stützte ihren Kopf in die Hände und hörte Dans Schritte widerhallen, während er den Korridor hinabging und versuchte, Abstand zu gewinnen. Dann wurde es still – eine ganze Weile.
Amy hob den Kopf. Sie sah Dan bewegungslos vor einer Vitrine stehen. Irgendetwas an der gespannten Art, wie er die Schultern hielt, alarmierte sie.
»Was ist los?«, rief sie. Als er nicht antwortete, lief sie zu ihm. Er stand vor drei Vitrinen, die in einer Reihe aufgestellt waren. In jeder befand sich eine von drei identischen Statuen, die die löwenköpfige Göttin Sakhet darstellten. Die Statuen waren etwa 20 Zentimeter hoch und schienen aus massivem Gold zu bestehen. Sie unterschieden sich nur an ihren Augen. Das eine Paar bestand aus glitzernden grünen Steinen, das zweite aus roten, das dritte aus blauen. Jede Statue schwebte und drehte sich in einem Kegel aus weißem Licht.
»Das muss es sein, wonach wir suchen«, flüsterte Amy. Für den Augenblick war ihr Streit vergessen. Die Statuen strahlten eine kalte Schönheit aus, wie Edelsteine. »Die Ekaterina haben sie schon gefunden.«
Dan schielte auf einen Computermonitor, der in eine der Vitrinen eingebaut war. Er berührte den Monitor mit dem Finger.
Ein Hologramm erschien. Es war eine Darstellung der Sakhet. Es drehte sich und zeigte einen Querschnitt. Auf dem Computerbildschirm war zu lesen:
DIE ERSTE SAKHET WURDE VON NAPOLEONS EXPEDITION BEI DEN KÖNIGINNENPYRAMIDEN IN GIZEH GEFUNDEN. MAN VERMUTET, DASS KATHERINE SIE DORT GELASSEN HAT. IN DEN LOUVRE GEBRACHT UND RESTAURIERT. ZEICHNUNG, DIE IM INNEREN ENTDECKT WURDE.
Eine Zeichnung erschien auf dem Bildschirm.
Sie gingen hinüber zur nächsten Vitrine, in der sich die Sakhet mit den grünen Augen befand. Wieder berührte Dan den Touchscreen.
ZWEITE SAKHET GEFUNDEN VON HOWARD CARTER, EKATERINA, IM JAHR 1916, IM GRAB DER HATSCHEPSUT IN THEBEN. FRÜHERE UNTERSUCHUNGEN HABEN NICHTS ERGEBEN. INZWISCHEN IST DIE STATUE MIT UNTERSCHIEDLICHEN MODERNEN ZPVs (ZERSTÖ-RUNGSFREIE VERFAHREN) UNTERSUCHT WORDEN, UNTER ANDEREM AUCH DURCH DIGITALE RADIOGRAFIE UND 3D-COMPUTERTOMOGRAFIE. ERGEBNIS: STATUE IST MASSIV, KEIN GEHEIMFACH.
Der Text, der schließlich neben der letzten Statue auf dem Monitor aufleuchtete, war nur kurz.
ERWORBEN DURCH BAE OH IM JAHR 1965. GEHEIMFACH ENTDECKT VON SEINEM NEFFEN ALISTAIR OH.
Amy ging zur zweiten Sakhet zurück, die Howard Carter gefunden hatte. Sie wusste, dass Carter ein berühmter Archäologe war. Später, im Jahr 1922, würde er noch das Grab von Tutanchamun entdecken.
»Hier steht, dass sie die beiden Karten jahrelang untersucht haben«, sagte Dan. »Sie sehen sich zwar ähnlich, aber es gibt zwischen ihnen auch Unterschiede. Niemandem ist es bislang gelungen, etwas herauszufinden. Man vermutet, dass es Grundrisse von Grabanlagen sind. Doch sie stimmen mit keiner Anlage überein, die bisher gefunden wurde.«
»Ist es nicht eigenartig, dass nur diese hier kein Geheimfach haben soll?«, fragte Amy. »Vielleicht hat Howard Carter einfach die falsche Sakhet gefunden. Es könnte irgendwo da draußen noch eine geben.«
Sie waren so auf die Untersuchung der Statuen konzentriert gewesen, dass sie das Geräusch des Gehstocks überhört hatten. »Stimmt genau, junge Dame«, sagte Bae Oh. »Das ist es auch, was ich glaube. Und ich glaube außerdem, dass mein Neffe Alistair sie haben könnte.«
Sechstes Kapitel
Wo war er hergekommen? , fragte sich Dan. Er konnte nirgends eine Tür entdecken. Es war so, als wäre er geradewegs aus dem Nichts erschienen. Unheimlich.
»Ich hatte das Vergnügen, zu vernehmen, dass ihr in meinem Namen eine Reservierung vorgenommen habt. Ich dachte erst, es wäre mein Neffe. Wie schade, dass ich ihn nun nicht antreffe. Ich habe mich schon darauf gefreut.« Bae lächelte, aber es wirkte eher so, als entblößte er seine Zähne, um sie einem Zahnarzt zu zeigen. »Nicht dass es nicht auch sehr erfreulich ist, euch beide einmal kennenzulernen.«
Dan glaubte ihm nicht ein Wort. Er dachte an die versperrte Ausgangstür. Wenn sie fortlaufen müssten, wo sollten sie hin? Er sah Amys Blick hin und her jagen. Auch sie hielt nach einer Fluchtmöglichkeit Ausschau.
Baes wahnsinniges Lächeln wurde noch etwas breiter, als hätte er ihre Angst gerochen. »Mögt ihr das Hauptquartier der Ekaterina?«, fragte
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