Die 39 Zeichen - Die Rache der Romanows - Band 5
standen vor hellgelben Mauern, die sich in einem weiten Bogen ins Unendliche streckten. Hinter der kreisförmigen Einfahrt lag ein weitläufiger Rasen, der zu einem glitzernden Teich führte.
»Ich hoffe, du weißt, wohin wir müssen«, sagte Dan. »Dieser Palast ist gigantisch. Es könnte Stunden dauern, dieses Zimmer zu finden.«
»Ich hab mir alles genau notiert«, erklärte Amy und zog einen Briefbogen des Hotels aus der Tasche. »Nach dem, was ich gelesen habe, ist Alexejs Spielzimmer auf der zweiten Etage des Kinderflügels. Wir müssen am Roten Zimmer vorbei, dann durch den Marmorsaal, und dann zur Gemäldegalerie …«
Amy war immer noch dabei, ihre ausführliche Wegbeschreibung vorzulesen, als die beiden das Bogenportal erreichten und den Palast betraten. Ein uniformierter Museumswärter nickte ihnen zu und lächelte.
»Könnten Sie uns sagen, wie wir zu Alexejs Spielzimmer kommen?«, fragte Dan.
»Sicher.« Der Mann wandte sich um und deutete auf
eine breite Treppe. »Hier hinauf, den Flur entlang und dann links. Es ist das große Zimmer.«
Amy steckte ihren Zettel weg und sah Dan beleidigt an. »Angeber.«
Schon nach wenigen Minuten standen sie im Eingang des unglaublichsten Spielzimmers, das Amy je gesehen hatte.
»Der hatte es gut«, schwärmte Dan. »Ich wäre hier nur zum Essen und zum Pinkeln rausgegangen.«
Alexejs Spielzimmer war ein riesiger Raum mit handgefertigtem Spielzeug in allen erdenklichen Formen. In der Mitte des Raums stand ein Indianerzelt mit zwei Kanus in Kindergröße. Eine aufwendige Eisenbahn mit weit verzweigten Schienen, ein riesiger Stoff-Schäferhund, Segelschiffe und Kisten voller Bauklötze. Von der Decke hingen Flugzeuge und Gleiter, und Spielzeughäuser säumten eine ganze Wand.
»Ich sehe keine Kleider. Du?«, fragte Amy. Die Ausstellung erlaubte den Besuchern, auf einem schmalen roten Teppich durch das Zimmer zu laufen und es am anderen Ende wieder zu verlassen.
»Komm«, meinte Dan. »Das sehen wir uns näher an.«
»Sind eure Eltern hier?«
Amy war sowieso schon in höchster Anspannung, deswegen ließ die Stimme sie erschreckt zusammenfahren. Als sie sich umwandte, sah sie den Wärter. Er war ihnen nach oben gefolgt.
»Kinder dürfen nur in Begleitung ihrer Eltern hier herein. Sie wollen sonst immer alles anfassen.«
Amy bedauerte, dass Dan seinen Bart nicht angeklebt hatte, aber dafür war es jetzt zu spät.
Dan warf ihr einen Blick zu und begann loszuplappern. »Dieser Urlaub ist ja so langweilig. Richtig öde. Und jetzt sehen wir endlich einmal etwas richtig Tolles und dürfen nicht rein.«
Amy begriff schnell und stimmte ein. »Unsere Eltern sind noch im Katharinenpalast und sehen sich die Gemälde an. Schade.«
Der Wärter schien Mitleid zu bekommen. »Meine Kinder sind auch so gerne hier.«
»Können Sie uns mit reinnehmen?«, bat Dan.
Der Mann blickte hinter sich über den Flur. Es war noch früh und im Palast war noch nicht viel los. Es waren noch keine anderen Besucher in Sicht.
»Hände in die Taschen, bitte! Nichts anfassen!«
Amy und Dan steckten widerwillig die Hände in ihre Hosentaschen und der Wärter schritt vor ihnen ins Zimmer. Er zeigte ihnen gerade die Schiffe, als zwei wilde englische Kleinkinder in der Tür erschienen.
»Mummy! Sieh mal, das viele Spielzeug!«, schrie eines, und schon flitzten sie los, direkt auf das Indianerzelt zu.
»Halt! Bleibt auf dem roten Teppich!«, protestierte der Wärter. Die Eltern versuchten, ihre Kinder zurückzuhalten, aber die beiden hasteten von einem Gegenstand
zum anderen, immer knapp außer Reichweite des Wärters.
Das ist die Gelegenheit , dachte Amy, die inzwischen eine Kleiderschranktür erspäht hatte. Bevor der Wärter sich überhaupt umdrehen konnte, war Amy bereits in den Schrank geschlüpft und hatte die Tür hinter sich geschlossen.
Drinnen war es stockfinster, bis auf einen kleinen Lichtspalt, der unter der Tür hereinfiel. Amy tastete umher und bemerkte, dass der Schrank voller Kleider hing. Waren das wirklich Kleider aus lang vergangener Zeit? Ihre Finger suchten entlang der Säume der seidig weichen Stoffe und Spitzen nach Juwelen. Sie griff in eine Tasche und ihre Finger legten sich um einen harten Gegenstand. Er war klein und rund, und als sie ihn herausnahm und näher betrachtete, trat ihr ein stechender Gestank in die Nase.
Eine Mottenkugel!
»Bäh«, flüsterte sie und ließ die Kugel in die Tasche zurückfallen. Sie suchte alle Taschen ab, die sie ertasten konnte,
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