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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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tun. Außerdem wollte sie wissen, ob die Kaffeetasse aus dem Zahn von einem sehr großen Tier gemacht worden sei. Irgendwie, meinte sie, sehe die Tasse aus wie ein Zahn von mir, nur größer. »Oder ein Zahn von dir«, sagte ich. Ich hob sie zum Badezimmerspiegel empor, und sie hielt die Tasse neben ihr Gesicht und fletschte die Zähne.
    Weil sie empfindlich auf den Ohren war, musste sie auch im Sommer eine Mütze überziehen, wenn nur der leiseste Wind ging. Sie ballte ihr warmes feuchtes Händchen zu einer Faust und legte sie in meine Hand und drehte sie darin, so bummelten wir, wohin uns gerade die Laune schickte, und ich erzählte ihr die Geschichte von den beiden Ohren, die einen verlorenen Bruder hatten, der wie eine Faust aussah und sich in einer Hütte aus Fingern versteckte.
    »Vati«, fragte sie, »bist du die Hütte?«
    »Nicht alles an mir ist die Hütte«, antwortete ich. »Nur meine Finger sind die Hütte.«
    »Und was ist das andere?«
    »Baumstämme zum Beispiel. Die Beine sind Baumstämme zum Beispiel.«
    »Und die Nase?«
    »Die Nase ist ein verzauberter Vogel.«
    »In was ist der Vogel verzaubert?«
    »In eine Nase.«
    Wir setzten uns unten bei der Spree vor einer Wurstbude auf die Plastiksessel, ich holte uns zwei Flaschen Zitronenlimonade mit Strohhalmen, und manchmal aßen wir zusammen eine Bockwurst, mehr als eine halbe brachte Lenchen nicht hinunter. Wir schluckten und kauten, und Lenchen ließ mich nicht aus den Augen. Ich denke, sie entdeckte immer wieder etwas Neues in meinem Gesicht, es war eine Wonne für mich zu sehen, wie vernarrt sie in mein Gesicht war. Wenn ich sie auf den Arm nahm, tupfte sie mit ihrer Fingerkuppe sanft auf meine Stirn und sagte: »Da ist einer, da ist einer, da ist noch einer« und meinte meine Sommersprossen und war dabei so ernst, als zähle sie nach, ob auch keine verlorengegangen wäre, seit ich sie zuletzt auf dem Arm getragen hatte.
     
    Dortchen dagegen hatte wenig übrig für frische Luft. Sie mochte am liebsten zu Hause auf der Couch liegen und sich ihr Kopfkissen auf den Bauch drücken, einen Kissenzipfel mit der Hand umklammern, mit dem Daumen an der Spitze des Zipfels zupfen und den anderen Daumen in den Mund stecken. Und Schokolade und Kekse essen. Von mir bekam Dortchen keine Schokolade. Sie hatte auch schon geweint deswegen und oft gequengelt. Aber ich glaube, es war nicht wegen der Schokolade, sondern weil sie fürchtete, ich hätte sie nicht lieb und schenkte ihr deshalb keine Schokolade. Von allen anderen bekam sie Schokolade geschenkt. Dafür konnte ich schöner Geschichten erzählen als alle anderen.
    In den Geschichten spielten Dortchens Puppen die Hauptrolle. Sie besaß nur eine Puppe. Ihr Großvater, Hagen Bertuleit, hatte nämlich auf einer seiner Geschäftsreisen in einem Hotel in Köln eine Fernsehsendung gesehen, in der ein Psychiater die Behauptung aufstellte, Kinder unter fünf Jahren würden sich bei gesunder Phantasie mit ihrem Spielzeug identifizieren, und je mehr Spielzeug ein Kind habe, desto unglücklicher sei es, weil es keine geschlossene Identität finden könne. Hagen hatte so eindringlich von dieser Sendung erzählt, dass Clara beschloss, Dortchen dürfe nicht mehr als eine Puppe besitzen. Damit glaubte sie, einen hinreichenden Beitrag zur Erziehung ihrer Tochter geleistet zu haben. Dortchen war zufrieden. Sie tat, als wäre ihre Puppe mehrere Puppen. Eine hieß Poms, die zweite Bernarda, wie die Putzfrau der Bertuleits; die liebste aber hieß Babbale wie ich.
    Dortchens Lieblingsgeschichte handelte von Poms’, Bernardas und Babbales Reise nach Putzteufelanien. Putzteufelanien ist ein Land, in dem nicht ein einziger Fussel an einem Mantel hängt, nicht eine einzige Staubflocke in einer Zimmerecke hockt, kein hartes Abtrockentuch auf der Spüle liegt, kein angebissener Apfel braun wird und in jedem Zimmer mindestens ein Besen und ein Staubsauger, ein Kehrwisch mit Schaufel und eine Schuhbürste nebeneinander aufgereiht an der Wand stehen. Poms ist ein ordentlicher Saubär, immer lässt sie ihre Sachen liegen. Sie fühlt sich nicht wohl in Putzteufelanien. Bernarda dagegen findet es herrlich, einfach sich hinsetzen und anschauen, wie schön sauber es hier ist. Babbale kann machen, was er will, er kann mit den Straßenschuhen herumgehen, nichts wird schmutzig, er schwebt nämlich, er berührt nichts, nur die Luft berührt er …
     
    »Ruth, meine Nelke, magst du meine Zweichen?«
    »Und wie ich sie mag! Ich hasse Gott! Lass

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