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Die Abenteuer des starken Wanja

Die Abenteuer des starken Wanja

Titel: Die Abenteuer des starken Wanja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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Gefolgschaft aufnehmen — oder magst du nicht ?«
    »O
doch !« sagte Wanja. »Ich wüßte nicht, was mir lieber
wäre — aber...«
    »Was
— aber?«
    Wanja
erzählte Wolok im Dahinwandern seine Geschichte und schloß mit den Worten:
    »Du
siehst, daß ich nach dem Land unterwegs bin, das hinter den Weißen Bergen liegt.
Darum weiß ich nicht, ob es recht wäre, wenn ich mit dir nach Kiew ginge, um
ein Ritter zu werden .«
    »In
diesem Punkt kannst du ganz beruhigt sein«, sagte Wolok. »Wir alle werden dir
beistehen, deine Aufgabe in dem fernen Land zu erfüllen: Ilja, Dobrinja,
Churilo, Potok und ich samt den übrigen. Keiner von uns wird dich daran
hindern, daß du das Deine tust. Bloß — ich denke, du kannst es mit Gottes und
unserer Hilfe besser und gründlicher tun, als wenn du allein bist .«
    Wanja
fand seine Rede einleuchtend. Vielleicht war ihm der Weg nach Kiew von allem
Anfang an vorbestimmt? Er jedenfalls, Wanja, hoffte in dieser Stunde nichts
sehnlicher.
    Trotzdem
warf er am nächsten Kreuzweg den Silberdreier. Verwundert fragte Wolok, was das
solle. Als Wanja es ihm erklärt hatte, mußte er lachen.
    »Das
kannst du dir künftig schenken, Bruderherz! Einerlei, wie das Los fällt: In
dieser Gegend führt jeder Weg nach Kiew .«
    »Dann
ist es ja gut«, sagte Wanja. »Aber ich werde auch weiterhin meine Münze werfen,
wie es mir aufgetragen ist .«
    Wolok
hatte nicht zuviel versprochen. Alle Wege in dieser Gegend mündeten in die
breite Straße ein, die nach Kiew führte. Gegen Abend erblickten sie dann die
Stadt auf den Hügeln über dem Dnjeprfluß. Groß und prächtig lag sie vor ihnen,
von steinernen Mauern umgeben, mit hohen Türmen bewehrt; die Häuser waren aus
starken Balken gefügt und mit Schindeln gedeckt; sie scharten sich dicht
gedrängt um die Kirchen mit ihren weißen Glockentürmen und grünen Kuppeln; die
Fenster der Gotteshäuser leuchteten in der Abendsonne wie rotes Gold.
    »Dies«,
sagte Wolok, »sind die Türme der Kathedrale zu Sankt Sophien — und dort im
Palast, du erkennst ihn an seiner hohen Halle, die alle anderen Dächer der
Stadt überragt, wird der Fürst dich zum Ritter schlagen, vielleicht diesen
Abend noch. Darum komm, laß uns keine Zeit verlieren !«
    Nahe
dem Stadttor zweigte ein Pfad nach rechts in die Wiesen ab, der zum Dnjepr
hinunterführte, ein schmaler Fußpfad, von Fischern und Floßknechten ausgetreten
im Lauf der Zeit. Wieder zog Wanja
    den
Silberdreier hervor; er bestand darauf, ihn auch diesmal zu werfen.
    »Zahl
links — Adler rechts!«

    Die
Münze wirbelte durch die Luft, Wanja fing sie auf — und erschrak.
    »Was
hast du ?« fragte Wolok.
    Wanja
hielt ihm die Hand mit dem Geldstück hin.
    »Glaub
mir, ich wäre gern mitgekommen«, sagte er leise. »Aber du siehst ja, es soll
nicht sein .«
    Auch
Wolok war bestürzt. Und doch wollte er Wanja zu nichts überreden, was gegen
sein Gewissen gegangen wäre.
    »Du
weißt, daß ich traurig bin, weil du nun doch nicht mitkommst«, sagte er. »Doch
was ändert es? Laß uns den Abschied kurz machen, Bruder. Leb wohl und vergiß
mich nicht !«
    Er
zog den Tscherkessendolch aus dem Gürtel und schenkte ihn Wanja zum Andenken.
    »Wenn
du selbst einmal in Gefahr kommst, möge ein Freund zur Stelle sein, der dir
hilft, wie du mir geholfen hast«, sagte er. — »Gott mit dir, Bruder!«
    »Und
mit dir«, sagte Wanja.
    Dann
küßten sie sich zum Abschied; und schweren Herzens schlug Wanja den Fußpfad
ein, der ihn wegführte von den Toren der strahlenden Stadt Kiew, durch die
Wiesen zum Fluß hinab.
     
    D en ganzen Sommer lang wanderte
Wanja von Dorf zu Dorf und von Stadt zu Stadt, durch Wälder und Steppen, an
Flüssen und Bächen entlang, bei Regen und Hitze, bei Wind und Sonnenschein. Was
er zum Leben brauchte, verdiente er sich. Hier half er den Weizen schneiden,
dort packte er einen wildgewordenen Stier bei den Hörnern und bändigte ihn;
bald schleppte er eine Ladung Getreide zur Mühle (acht Säcke auf einmal, vier
unter jedem Arm), bald schachtete er allein zwischen Mittagessen und Abendbrot
einen ganzen Brunnen aus: alles Arbeiten, die nicht viel Zeit erforderten und
ihm doch seine Krautsuppe eintrugen, seinen Brei, seinen täglichen Kanten
Schwarzbrot, und manchmal sogar ein Stück Fleisch oder Speck als Dreingabe.
    Oft
mußte Wanja in diesen Wochen zurückdenken an den Ritter Wolok, an die
schimmernde Stadt Kiew auf den Hügeln über dem Dnjepr — und an die Geschichten,
die ihm Wolok von den Taten

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