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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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finden die Bestie, sonst war die ganze Reise für die Katz«, bemerkte Timothy Bruce, der Fotograf.
    »Vertrauen Sie ganz auf mich, junger Mann. Ich habe Erfahrung mit dieser Art von Tieren und habe eigenhändig einige todsichere Fallen entworfen. Die Modelle sind in meiner Abhandlung über den Schneemenschen des Himalaja abgebildet«, sagte der Professor mit selbstzufriedener Miene, während er Karakawe anwies, stärker zu fächeln.
    »Konnten Sie ihn fangen?« Alex stellte sich absichtlich doof, denn die Antwort kannte er nur zu gut.
    »Es gibt ihn nicht, mein Junge. Dieses legendäre Wesen des Himalaja ist ein Schwindel. Die berühmte Bestie womöglich auch.«
    »Manche Leute haben sie gesehen«, wandte Nadia ein.
    »Ohne Zweifel ungebildete Leute, Kindchen.« Der Professor machte eine wegwerfende Handbewegung.
    »Pater Valdomero ist nicht ungebildet«, beharrte Nadia.
    »Wer ist das?«
    »Ein katholischer Missionar, der von den Wilden verschleppt wurde und seitdem verrückt ist«, mischte sich Hauptmann Ariosto ein. Sein Englisch hatte einen starken venezolanischen Einschlag, und weil er noch dazu ständig an einer Zigarre nuckelte, konnte man ihn kaum verstehen.
    »Er ist nicht verschleppt worden, und verrückt ist er auch nicht!« Jetzt war Nadia richtig zornig.
    »Beruhige dich, meine Hübsche«, sagte Mauro Carías lächelnd und strich Nadia übers Haar, die sich sofort außer Reichweite flüchtete.
    »Tatsächlich ist Pater Valdomero sehr gelehrt. Er spricht mehrere Indianersprachen und kennt die Flora und Fauna des Amazonas besser als irgendwer sonst; er behandelt Knochenbrüche, zieht Zähne und hat auch schon mit einer selbstgebauten Apparatur grauen Star operiert«, erklärte César Santos.
    »Ja, aber bei der Bekämpfung des Lasters in Santa María de la Lluvia oder der Missionierung der Indianer ist er nicht sehr erfolgreich, Sie sehen ja selbst, die laufen noch immer nackt herum«, spottete Mauro Carías.
    »Ich bezweifle, dass die Indianer es nötig haben, missioniert zu werden«, widersprach ihm César Santos.
    Er sagte, die Indianer seien sehr spirituell und glaubten, alles besitze eine Seele: die Bäume, die Tiere, die Flüsse, die Wolken. Deshalb trennten sie die geistige und die gegenständliche Welt nicht voneinander. Die Religion der Fremden war ihnen zu simpel, weil sie meinten, das sei immer die gleiche Geschichte, die da wiederholt werde, sie dagegen hätten viele Geschichten von Göttern, Dämonen, Geistern des Himmels und der Erde. Pater Valdomero hatte es aufgegeben, ihnen zu erklären, dass Christus am Kreuz gestorben war, um die Menschheit von ihren Sünden zu erlösen, weil die Indianer über die Vorstellung eines solchen Opfers entsetzt waren. Sie wussten nicht, was Schuld ist. Sie verstanden auch nicht, wieso sie bei diesen Temperaturen Kleider tragen und wozu sie Besitztümer anhäufen sollten, wo man ja doch nichts mitnehmen konnte, wenn man starb.
    »Zu schade, dass sie zum Aussterben verurteilt sind, sie sind der Traum eines jeden Anthropologen, nicht wahr, Professor Leblanc?«, feixte Mauro Carías.
    »So ist es. Zum Glück habe ich über sie schreiben können, ehe sie dem Fortschritt weichen müssen. Dank Ludovic Leblanc ist ihnen ein Platz in der Geschichte sicher«, sagte der Professor, an dem der Spott seines Gegenübers abperlte.
    An diesem Abend bestand das Essen aus gebratenem Tapirfleisch, Bohnen und Maniokfladen, und Alex wollte nichts davon probieren, obwohl er sehr hungrig war.
    ~
    Während seine Großmutter nach dem Abendessen mit den Männern der Gruppe Wodka trank und ihre Pfeife rauchte, ging Alex mit Nadia zum Bootsanleger. Wie eine gelbe Laterne strahlte der Mond am Himmel. Die Geräusche des Urwalds umwehten die beiden als vielstimmige Hintergrundmusik: das Schreien der Vögel, das Kreischen der Affen, das Quaken der Frösche und Zirpen der Grillen. Tausende Glühwürmchen schwirrten an ihnen vorbei und streiften ihre Gesichter. Nadia fing eines mit der Hand und barg es zwischen ihren Locken, wo es wie ein Sternchen weiterflackerte. Das Mädchen saß auf dem Steg und ließ die Füße ins dunkle Wasser des Flusses baumeln. Alex fragte sie nach den Piranhas, die er in den Souvenirläden von Manaus gesehen hatte: wie getrocknete Miniaturhaie, handtellergroß, mit beachtlichen Mäulern und messerscharfen Zähnen.
    »Piranhas sind sehr nützlich, sie säubern das Wasser von Aas und Abfällen. Mein Vater sagt, sie greifen nur an, wenn sie Blut riechen und hungrig

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