Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus
plötzlich Berichte über das Haus in der Weitlingstraße machen, und ich gab Tag für Tag bis zu vier Interviews. Diese Interviews wurden immer honoriert. Die Tarife für solche Interviews lagen zwischen zweihundert und eintausend D-Mark. Eine bestimmte Menge des eingenommenen Geldes floß in die Parteikasse der »Nationalen Alternative«, wieviel, lag in meinem Ermessen. Zu jener Zeit hatte ich soviel Geld wie nie zuvor in meinem Leben, konnte mir kaufen, was ich wollte, und mußte natürlich nicht mehr arbeiten gehen.
Meine »Arbeit« bestand jetzt darin, mich als Parteivorsitzender für die Ziele und die Belange meiner Partei einzusetzen. In den folgenden Monaten hatten wir einen ungeheuren Zulauf an neuen Mitgliedern, so daß wir schnell zu einer der mitgliederstärksten rechtsradikalen Parteien in ganz Deutschland wurden. Es kamen natürlich überwiegend Jugendliche und junge Männer in die Weitlingstraße, aber bald besuchten uns auch die ersten älteren Leute, um uns mit Propagandamaterial aus dem Dritten Reich zu versorgen, das sie zu Hause aufgehoben hatten. So kam zum Beispiel der Vater eines bekannten Rechtsradikalen, der in der DDR eine staatliche Transportfirma leitete. Mit ihm hatten wir angeregte Gespräche.
Innerhalb kürzester Zeit verfügten wir über einen erlesenen Spenderkreis, zu dem vor allem Akademiker aus Westberlin, Juristen und Mediziner, gehörten.
Die Spender wollten in aller Regel unerkannt bleiben, viele begnügten sich damit, uns gelegentlich einen Beitrag zu überweisen. Wenn wir wirklich einmal dringend Geld brauchten, genügte ein Anruf bei einem der wohlhabenden Spender, und wir hatten das Geld. Einmal gab es ein Transportproblem: Ein Anruf, und am nächsten Tag hielt ich fünftausend D-Mark zum Kauf eines Autos in den Händen.
Ein japanisches Fernsehteam hatte uns sogar zehntausend D-Mark geboten, damit wir uns mit schweren Waffen während eines Wehrsportlagers von ihnen filmen ließen.
Ein amerikanischer Journalist versuchte ein Interview zu bekommen, ohne dafür zu bezahlen. Er argumentierte so, daß auch der Präsident der Vereinigten Staaten kein Geld für Interviews nehmen würde. Ich sagte ihm, erstens sei ich nicht der amerikanische Präsident, der mache, was er für richtig hielte, wir jedenfalls nähmen Kohle. Die Diskussion war beendet. Der Amerikaner zahlte anstandslos das von uns geforderte Honorar.
Schlägerei in Langen
In jenen Tagen wurde ich oft zu Führungstreffen eingeladen, und so fuhr ich auch Anfang März mit meinen Berliner Kumpels und einigen anderen Leuten aus Rostock und Dresden nach Langen bei Frankfurt am Main. Dort fand das erste große gemeinsame Treffen von Neonazis aus der Bundesrepublik und der DDR statt. Alle bekannten Naziführer waren in Langen dabei. Michael Kühnen leitete diese Zusammenkunft, bei der ich unter anderem Nero Reisz, den inzwischen verstorbenen Gerald Hess, Wolfgang Hess und Thomas Hainke aus Bielefeld traf. Sinn und Zweck dieses Treffens war es, in erster Linie die Arbeit der verschiedenen Naziparteien in der DDR zu koordinieren. Die »Nationale Alternative« sollte künftig nicht mehr nur auf Berlin beschränkt sein, sondern überregional arbeiten. Nero Reisz, der glaubt, die Sprache der Arbeiter zu sprechen, erklärte in seiner abschließenden Rede, daß er es gut verstünde, wenn ein Arbeiter sich erheben würde, um seinem Gewerkschaftschef mit einem Ziegelstein das »matschige« Gehirn einzuschlagen.
Als die Veranstaltung zu Ende war, gingen wir in die Langener Gaststätte »Holzwurm«. Wir saßen gerade gemütlich beim Essen, da bekam einer der Gäste, ein riesiger Zwei-Meter-Mann, Ärger mit seiner Frau und schlug ihr einen schweren Glasaschenbecher ins Gesicht. Die ebenfalls schwergewichtige Frau ergriff daraufhin einen Barhocker, um damit auf ihren Mann einzudreschen. Im Ausholen traf die Frau einen von unseren Leuten. Der stand auf und schlug der Frau mit einer Flasche auf den Kopf. Die Frau ging sofort zu Boden. Als nun der Ehemann auf unseren Kameraden losging, mischten sich mehrere Neonazis ein. Die Handgreiflichkeiten eskalierten, und im Nu war eine blutige Massenschlägerei im Gange. Wolfgang Hess aus Langen, ein großer, kräftiger Mann, bekam eine Whiskyflasche über den Kopf gezogen, und knapp am Kopf von Nero Reisz flog ein CD-Player vorbei. Der sonst so großmäulige Altnazi saß danach ziemlich verängstigt in einer Ecke der Kneipe. Flaschen und Gläser flogen kreuz und quer durch das Lokal.
Draußen
Weitere Kostenlose Bücher