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Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Titel: Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Hasselbach , Winfried Bonengel
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zu bekommen. Für den Ersten Vorsitzenden interessierten sich die Presseleute kaum. Ich glaube, daß ihn das geärgert hat und daß er neidisch auf mich war, obwohl er nie etwas in dieser Art gesagt hat. Er redete nur sehr selten über persönliche Dinge und wirkte immer verschlossen. Wahrscheinlich entwickelte er im Laufe der Zeit immer heftigere Aggressionen gegen mich, die sich dann an meinem fünfundzwanzigsten Geburtstag schlagartig entluden. Anders war nicht zu erklären, warum er mich hinterrücks mit einem Stuhl anzugehen versuchte.
    Hin und wieder regte sich Lutz über meine anarchistische Lebensweise auf, er hatte immer irgendwelche festen Prinzipien, die ihn daran hinderten, das zu tun, was er eigentlich wollte. Nur dann, wenn wir über alte Zeiten redeten, blühte er auf. Wir wurden beide zusammen bei der Erstürmung der Weitlingstraße durch die Polizei am 27. April 1990 festgenommen. Sechs Wochen saßen wir in Untersuchungshaft, danach wurden wir freigelassen, aber Frank Lutz ließ sich nur noch sehr selten bei uns blicken. Er ging einer geregelten Arbeit nach und hatte eine feste Freundin, die ein Baby von ihm erwartete. Er schien sich langsam aus allem zurückzuziehen und sein Privatleben in den Vordergrund zu stellen. Zu dieser Zeit übernahm ich den Ersten Vorsitz in der »Nationalen Alternative«. Nach der Geburt seines Sohnes schränkte er seine Aktivitäten noch mehr ein, und erst als wir aus dem Pfarrstraßenprojekt entlassen waren, Ende 1991, wurde er wieder aktiv. Er gründete eine neue »Kameradschaft«, die bis heute ganz in der Tradition der alten SA steht. Nach meinem Ausstieg sind viele Mitglieder meiner letzten »Kameradschaft Sozialrevolutionäre Nationalisten« zu Frank Lutz übergelaufen. Heute organisiert Lutz regelmäßig Schulungsabende und Wehrsportlager.
    Diese Kameradschaft hatte ich im Mai 1992 gegründet. Lutz organisierte zur gleichen Zeit eine andere »Kameradschaft«. Zur Parteienarbeit verspürten wir schon lange keine Lust mehr, und wir glaubten auch, illegal wesentlich effektiver zu sein. Wir hatten vor, uns mehr an den Strukturen der RAF zu orientieren.

Anweisungen aus Übersee
    Illegale Schriften machten wir uns zur Pflichtlektüre. In dem verbotenen Buch »Der totale Widerstand« fanden wir genaue Anleitungen zum Leben in der Illegalität. Bei Schulungen machten wir uns theoretisch mit der Handhabung von Sprengstoff vertraut und bauten Bomben auf dem Papier. Wir informierten uns darüber, wie man Brücken, Panzer und Schienenanlagen sprengt, und jeder von uns wußte, wie ein Auto am effektivsten in die Luft zu jagen ist. Wir diskutierten über potentielle Angriffsziele des rechten Terrorismus, das sollten zunächst einmal sozialistische und jüdische Denkmäler in der ehemaligen DDR sein.
    Eines Tages erhielten wir ein Schreiben von einer außerordentlich einflußreichen Organisation in Übersee. Es war an eine fiktive Adresse geschickt worden - wir bedienten uns des Systems »toter Briefkästen«, in die geheime Botschaften, aber auch größere Mengen Naziaufkleber und Propagandazeitschriften gingen. In diesem Schreiben wurde uns mitgeteilt, daß es für die »Bewegung« doch von besonderem Interesse sein müßte, mitzuhelfen, Olympia 2000 in Berlin zu verhindern. »Störungen« von diesbezüglichen Veranstaltungen würden sicher Wirkung zeigen. So könne man den Staat wirksam treffen und dessen Unfähigkeit offenlegen, den Terrorismus effektiv zu bekämpfen. Die Tatsache, daß Olympia 1936 in Berlin stattgefunden hat, war in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Es hieß auch, daß eine Verhinderung der Olympischen Spiele den Staat finanziell schwächen und die Regierung in der Öffentlichkeit bloßstellen würde. Es sei notwendig, die Handlungsunfähigkeit des Staates einer wachsenden Zahl unzufriedener Bürger immer wieder vor Augen zu führen und sie so für den Nationalsozialismus zu gewinnen.
    Verschlüsselte Aufforderungen zu terroristischen Aktionen gehen mittlerweile ständig durch die gesamte rechte Szene. Diese Schreiben, die meist aus den USA oder den Niederlanden kommen, sind nach dem Lesen sofort zu vernichten.
    Eines dieser Schreiben erreichte mich im Herbst 1992. In dieser Zeit war ich völlig durcheinander. Einerseits stand ich kurz davor, auszusteigen, andererseits war ich beeindruckt davon, jetzt einer terroristischen Vereinigung anzugehören. Über Jahre hinweg hatte ich mir alles über die RAF besorgt, dessen ich habhaft werden konnte. Eigentlich

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