Die Adler von Lübeck: Historischer Roman
später leise, still und heimlich wieder einzustellen oder dafür zu sorgen, dass er woanders unterkam.
Katharina blätterte in ihren Briefen. Vieles hatte sie vergessen, beim Wiederlesen war es wieder präsent. Sie hatte nicht geplant, nach Rosländer zu suchen. Aber dann lief ihr der Name immer wieder vors Auge. Es war der Geruch der Tinte, er führte zu Distelkamp, zu seinen Nachbarn Whitfield, von denen zu Deborah, ein englischer Name, eine deutsche Frau, die mit Zwillingen schwanger war, ihren ersten Kindern. Ganz gelassen ging sie damit um, im Gegensatz zu ihrem Mann, der sich das Schlimmste vorstellte. Seine Frau und Katharina redeten ihm gut zu, er wollte nicht von seiner Unruhe lassen, und weil er in einer Tischlerei arbeitete, die Holz für die Rosländer-Werft lieferte, berichtete er von den dort arbeitenden Zimmerleuten, die angeblich von Tag zu Tag unruhiger würden, weil morgens, wenn sie zur Arbeit kamen, Werkzeug verschwunden, Spanten verbogen und angesägt waren und auch sonst einiges darauf hinwies, dass in der Nacht Zerstörer am Werk gewesen waren. Wie auch in der Nacht davor und in der letzten Woche, und der Tischlermeister klagte darüber, dass sein Holz nicht mehr sicher sei, obwohl er den Verschnitt auf einen Haufen schichtete, damit sich jeder bedienen konnte, der Brennholz suchte.
Ein Wagen des Tischlers hatte neben dem Haus gestanden, an dem Katharina vorbei musste, um zur schwangeren Doris zu gelangen, der verrückten Frau, die bei jeder ihrer bisher vier Schwangerschaften aufgehört hatte zu reden, weil ihr jemand den Floh ins Ohr gesetzt hatte, dass jedes Wort aus dem Mund der Mutter sich schrecklich verstärken und als infernalischer Lärm beim Kind ankommen würde, das daher schwerhörig zur Welt kommen und nie die Ermahnungen seiner Eltern befolgen würde.
Neben dem Wagen hatte der Tischlermeister gestanden und mit zwei Männern gestritten, von denen Katharina einer bekannt vorkam, aber sie musste ja weiter.
Einige Tage später sah sie ihn wieder, als sie an Trine Deichmanns Seite zum Hafen unterwegs war, wo zwei Huren gleichzeitig niederkommen sollten und darauf bestanden, vorher eine Flasche Branntwein zu trinken, um die Schmerzen nicht zu spüren. Trine nahm sich die beiden zur Brust, Katharina stand währenddessen am Fenster der Absteige und sah zu, wie der Mann draußen mit einem Burschen diskutierte, der nicht so wirkte wie der Verhandlungspartner eines seriösen Menschen. Er sah aus wie ein Betrüger und Schläger, einer, der heimlich kam und heimlich verschwand, einer, der sich gern unter das Hafenvolk mischte, weil es den besten Schutz bot, denn mit diesem Aussehen würde er in der Stadt auffallen.
Ratsherr Barth sah Vaterfreuden entgegen, seine Frau, nicht halb so erfreut wie der Erzeuger, empfing Katharina von Mal zu Mal umfangreicher und schlechter gelaunt. »Das ist das erste und letzte Mal«, kündigte sie knurrend an, während ihr Mann davon träumte, eine Großfamilie zu begründen, für die das erste Kind den Grundstock bildete. Im Grunde bereitete er sich schon auf die Zeugung des Geschwisterchens vor, während ein Zimmer weiter die Schwangere Katharina Geld bot, damit die den irren Vater davon in Kenntnis setzte, dass auch kleine Familien viel Freude bereiten könnten.
Katharina lehnte lange ab, bis sie schließlich doch annahm. Von dem Geld konnte sie zwei Jahre die Miete zahlen, und es würde niemand erfahren. Von dem Pelzmantel Trine Deichmanns hatte ja auch niemand erfahren – dachte jedenfalls Trine.
Als sie den werdenden Vater aufsuchte, befand der sich in einem Gespräch mit zwei Männern, von denen Katharina einen kannte, den Ratsherrn Gleiwitz . In den Abschiedsworten der Männer ging es um das Schiff, das die Witwe Rosländer bauen ließ, und keiner von ihnen schien sich auf das Ergebnis zu freuen.
Bevor sie zum heiklen Thema vorstieß, machte Katharina eine Bemerkung über das Schiff. Sie war scherzhaft gemeint und lautete: »Frauen sind zu vielem fähig.«
Der Mann knirschte mit den Zähnen und sagte: »Sie wird sich noch wundern. Sie glaubt, mit Geld kann man alles kaufen. Aber vieles kann man nicht kaufen.«
»Kinder«, entgegnete Katharina leichtfertig und lachend.
»Kinder kann man kaufen«, stellte er klar. »Aber man kann nicht kaufen, dass man dazugehört. Man kann nicht kaufen, dass alle stillhalten, während man sie provoziert. Und man kann nicht kaufen, dass Holz nicht brennt und Tuch nicht reißt und Nägel nicht
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