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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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damit sagen wollte. Er war nicht, wie sie erst angenommen hatte, verstört über seine Entdeckung, auch nicht verbittert.
    Um Himmels willen, war es möglich? Wollte er sie, nach allem, was sie für ihn getan hatte, erpressen? Der Gedanke war so abwegig, so absurd – und doch so naheliegend. Wie hatte sie sich nur derart in ihm täuschen können?
    Christopher konnte in ihrem Gesicht lesen, in jeder Regung, jedem Beben ihrer Züge. Er kam sich abscheulich vor, niederträchtig. Doch er spürte auch die Macht, die er dadurch erlangte. Fühlte die Kraft, sah seine Möglichkeiten. Um zu sein wie Nestor, mußte er es tun. Es war der einzige Weg. Der richtige.
    »Meine Güte, Junge, willst du mir drohen?« Es waren nur blasse Worthülsen für das, was sie wirklich empfand. Empörung, aber auch so etwas wie enttäuschte Liebe.
    »Nein«, erwiderte er, innerlich schwankend in seiner Selbstsicherheit. »Ich werde ihm nichts davon erzählen. Diesen Gefallen bin ich dir schuldig.«
    »Diesen Gefallen?« Ihre Stimme drohte jetzt überzukippen.
    »Herrgott, ich habe dich aus dem Heim geholt, hierher, in dieses Schloß, in eine –«
    »Familie?« unterbrach er sie. »Siehst du denn nicht, was um dich herum geschieht? Dein Mann versteckt sich vor der ganzen Welt, Aura habt ihr fortgeschickt, Daniel ist ein ausgebranntes Wrack. Und Sylvette … sie liebt jeden, der ehrlich zu ihr ist – und du bist es nicht.«
    »Wie meinst du das?« Charlotte begann jetzt, hysterisch zu werden. »Wie, zum Teufel, meinst du das? Hat Aura dir das erzählt?«
    Aura wußte auch davon? Das hätte er sich denken können. »Nein«, sagte er leise, »aber glaubst du denn, es ist nicht für jeden offensichtlich, der um dein kleines Techtelmechtel mit Friedrich weiß? Glaubt Nestor denn wirklich, er sei Sylvettes Vater? Lieber Himmel, man muß sie nur anschauen, um die Wahrheit zu erkennen.«
    Charlotte sprang auf. Ihre Finger waren zu Krallen gekrümmt. Sie sah aus, als wolle sie sich jeden Moment auf ihn stürzen. »Verschwinde! Geh mir aus den Augen!«
    Seine Knie zitterten leicht, doch er blieb stehen und erwiderte starr ihren Blick. »Du hast nicht etwa vor, mich zurückzuschicken, nicht wahr? Du willst doch nicht, daß jemand die Wahrheit erfährt?«
    Ein häßliches Lachen kam über ihre Lippen. »Du glaubst, Nestor weiß nicht, was zwischen mir und Friedrich ist? Das kann nicht dein Ernst sein.«
    »Oh, Nestor weiß es bestimmt. Aber was ist mit Sylvette? Wie würde sie reagieren, wenn sie erfährt, daß – «
    Charlottes Hand zuckte vor und schlug ihm ins Gesicht. Er keuchte auf, als ihre Fingernägel blutrote Schrammen auf seiner Wange hinterließen.
    »Das würdest du nicht wagen«, stammelte sie atemlos. »Das … das würdest du Sylvette niemals antun! Das glaube ich dir nicht!«
    »Ich liebe sie wie ein älterer Bruder seine kleine Schwester liebt«, entgegnete er aufrichtig und tupfte sich mit dem Hemdsärmel über die Wunden in seinem Gesicht. Als er das Blut auf seinen Manschetten sah, wurde er blaß. »Aber vielleicht verdient sie es gerade deshalb, die Wahrheit über sich zu erfahren, über ihre Herkunft – und über ihre Zeugung in einem Grab!«
    Charlotte sank wie unter einem Hieb in sich zusammen. Einen Augenblick lang fürchtete er, sie würde fallen, vielleicht das Bewußtsein verlieren. Dann aber fing sie sich, stand reglos da und musterte ihn eisig. »Was hast du vor?« fragte sie tonlos. »Worauf willst du hinaus?«
    Er schloß einen Herzschlag lang die Augen, und als er sie wieder öffnete, war Charlotte so nahe herangekommen, daß er mühsam seinen Schrecken unterdrücken mußte. »Ich weiß es noch nicht genau«, gestand er. »Aber ich kenne den ersten Schritt.«
    »Nun?« fragte sie ungeduldig.
    »Daniel muß von hier verschwinden.«
    Charlotte schnaubte abfällig. »Verschwinden, ja? Du mußt den Verstand verloren haben, Christopher. War das Nestors Idee? Steckt er hinter all dem?«
    Er fürchtete plötzlich, sie könne versuchen, den Alten im Dachgarten aufzusuchen, daher sagte er geschwind: »Nein. Vater hat nichts damit zu tun. Er weiß nicht einmal, daß ich bei dir bin.« Christopher atmete tief durch. »Aber es bleibt dabei: Daniel muß fort von hier.«
    Mit einem Ruck wandte sie sich um und lief mit wehendem Gewand im Zimmer auf und ab. »Ich könnte es mir einfach machen und dich statt seiner fortschicken.«
    »Und Sylvette dabei verlieren«, gab er zurück. »So wie Aura.«
    Sie schleuderte ihm einen

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