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Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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und nun auch noch dieser Chevalier«, führte sie den Satz zu Ende. »Alles Probleme, die gelöst werden müssen. Und ich muss irgendwo anfangen.«
    »Dann lass mich mit zu den Kaskadens gehen.«
    »Nein. Wenn es wirklich gefährlich ist, gibt es keinen Grund, dich da mit hineinzuziehen. Außerdem hast du gesagt, dass du verreisen musst.«
    »Nur nach Brest. Das kann ich zur Not um einen Tag verschieben.« Er verzog abfallig das Gesicht. »Es sind nur Geschäfte.«
    Sie versuchte zu lächeln. »Und wenn die nicht laufen, kannst du deine Miete nicht zahlen. Ich müsste dich raus werfen.« Mit einem Kopfschütteln setzte sie hinzu: »Kümmere dich um deine Geschäfte, Philippe. Und überlass mir meine eigenen.«

KAPITEL 8
    Das Warten machte sie wahnsinnig. Die Luft um sie herum schien auf sie einzustürzen, ein unsichtbarer Druck, der es unmöglich mach-te, einen klaren Gedanken zu fassen. Ihr eigenes Schweigen machte ihr zu schaffen. Es fehlte nicht viel, und sie würde anfangen, Selbstgespräche zu führen, allein in ihrem Hotelbett.
    Hallo, Bett. Hallo, Vorhang. Hallo, Aura…
    Sie brauchte Stunden, um in dieser Nacht einzuschlafen, und dann kamen Träume, die den Schlaf nicht angenehmer machten als die Tortur des Wachseins.
    Grünblaues Licht füllte das Zimmer, als wäre ganz Paris in einem Ozean versunken, ohne dass sie es bemerkt hatte. Es musste eben erst passiert sein, in den Minuten des Wechsels vom Wachen zum Schlafen. Ihre Bewegungen waren langsam, schwebend, wie Schwimmstöße unter einer Wasseroberfläche. Immerhin konnte sie atmen.
    Sie schlug die Augen auf. Das Licht war nicht mehr blau, sondern golden. Die Morgensonne schien gleißend durch die hohen Fenster. Sie hatte nicht das Gefühl, überhaupt geschlafen zu haben, doch das war keine Überraschung. Sie kannte solche Nächte zur Genüge. Entschlossen stand sie auf. Eine halbe Stunde später saß sie beim Frühstück und versuchte, ihren Kreislauf mit Unmengen von Kaffee in Gang zu bringen.
    Sie verließ das Hotel mit dem Zettel, auf den Dujols die Adresse von Gaston Grimaud geschrieben hatte. Zu ihrer Erleichterung sah sie ihr Spiegelbild in einem Schaufenster und stellte fest, dass sie zumindest äußerlich einigermaßen ausgeruht wirkte. Sie spürte auch, dass die Morgenluft ihr gut tat. Die Augusthitze, die am späten Vormittag über Paris hereinbrechen würde, ließ noch auf sich warten, und über die Seine wehte ein erfrischender Luftzug.
    Eine Droschke brachte sie bis zu Grimauds Haus. Verstohlen schoben sich Katzen mit schmutzigem Fell an den Fassaden vorüber, als rechneten sie jeden Augenblick damit, von irgendwem oder irgendetwas angegriffen zu werden. Vor dem Haus lag eine tote Taube mit aufgeplatztem Leib. Ratten stoben auseinander, als das Droschkenrad den toten Vogel haarscharf verfehlte. Ein Flügel stand abgewinkelt nach oben und zeigte klagend zu den düsteren Fenstern empor.
    Die meisten Gebäude in dieser Straße beherbergten Werkstätten und kleine Fabriken, doch aus keinem erklangen Geräusche. Die Maschinen standen still, manche Scheiben waren zerbrochen. Ein ungewöhnlicher Ort für einen Buchliebhaber, fand Aura. Sie hatte gepflegte Gärten erwartet, Villen aus dem letzten Jahrhundert. Stattdessen wuchsen um sie dunkelrote Ziegelmauern empor, mit Fens-tern, von denen manche über zwei Etagen reichten. Was an Verzierungen in die Wände eingelassen war, hatte sich durch Kohlenstaub und den Ruß der Schlote schwarz gefärbt.
    Der Kutscher wies auf einen Torbogen. »Sicher, dass Sie hier richtig sind, Mademoiselle?«
    Sie nickte. »Würden Sie hier auf mich warten?«
    Er wirkte alles andere als glücklich, nickte aber, als sie ihm einen Schein in die Hand drückte.
    Jenseits des Torbogens erwartete sie fahles Halblicht, das ihr aus einem schmutzigen Innenhof entgegenschien. Eine offene Tür führte in ein Treppenhaus. Neben dem Eingang glänzte eine Messingplakette, vermutlich das einzige Stück Metall im ganzen Viertel, das nicht mit einem rußigen Schmierfilm überzogen war. Es sah aus, als würde es regelmäßig gesäubert, und das machte ihr ein wenig Hoffnung.
    Als sie im Hausgang einen Augenblick lang die Luft anhielt und horchte, glaubte sie, in der Tiefe des Treppenschachts Wasser plätschern zu hören. Dann herrschte wieder Stille.
    »Monsieur Grimaud?«
    Sie würde hinaufgehen müssen. Eine Kellerwohnung schloss sie aus. Zu feucht für Bücher.
    Eine weitere Namensplakette fand sie im ersten Stock, neben einer

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