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Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Titel: Die Alchimistin 03 - Die Gebannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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einen Seitenblick.
    »Ich ... ich ...«, erklang es prompt von irgendwoher, vielleicht aus den Wänden selbst.
    Jakub setzte sich in Bewegung und kam langsam näher. In seiner linken Hand trug er einen schweren Zimmermannshammer, mit zwei gebogenen Spitzen an der einen Seite wie Enden einer gespaltenen Zunge aus Stahl.
    »Galathée?«
    »Ich ... ich ...«
    »Zeig dich mir! Komm her!«
    Aura bemerkte, wie Gillians Hand sich seiner Hosentasche mit der Waffe näherte, aber sie berührte ihn kurz und schüttelte
den Kopf. Ihre eigenen Finger lagen auf der Klinke der Tür in ihrem Rücken, und nun drückte sie das Metall behutsam nach unten.
    Jakub war noch etwa zehn Meter entfernt. Aura entdeckte den Schalter für das elektrische Licht in der entgegengesetzten Richtung am Korridorende. Vielleicht hatte er deshalb gezögert, diesen Weg zu nehmen. Fürchtete er sich vor den Schatten? Vor jemandem, der sich darin verbergen könnte? Vor dem Gliederkind?
    Die Tür schwang lautlos ins Zimmer hinein. Jakub kam näher und hob den Hammer. Severin hatte Aura erzählt, dass Estella das Automatenmädchen lieber heute als morgen zerstört sähe. Wahrscheinlich hatte sie dem Diener den Auftrag gegeben, in den Fluren des Palais nach Galathee Ausschau zu halten.
    Aura gab Gillian ein Zeichen. Gleichzeitig traten sie rückwärts durch die offene Tür.
    Jakub wurde schneller. Jeden Moment musste er nah genug heran sein, um in den Türrahmen blicken zu können.
    Hastig ergriff Aura auf der Innenseite die Klinke und schob die Tür hinter sich zu, mit einem Klicken, leiser als ein Herzschlag.
    »Galathée«, raunte Jakub auf der anderen Seite. »Mein liebes Kind, wo bist du denn?«
    Aura lauschte auf seine Schritte, aber entweder war das Holz zu dick oder er war stehen geblieben.
    Gillian hatte die Taschenlampe noch nicht wieder eingeschaltet, damit kein Licht durch den Türspalt fiel und sie verriet. In dem stockfinsteren Zimmer roch es so schimmeligfeucht wie in den meisten anderen, in die sie hineingesehen hatten. Unter ihren Schuhen spürte Aura Parkett, als sie einen weiteren Schritt zurück machte. Ihre Hand tastete nach Gillian und fand ihn nicht.

    »Galathee«, raunte Jakub draußen vor der Tür.
    Sie wagte nicht, Gillians Namen zu flüstern. Er musste unmittelbar neben ihr stehen, aber die Finsternis war zu vollkommen, um ihn auch nur zu erahnen. Und da verstand sie: Sie waren rückwärts in eines der Schattennester getreten. Es musste das ganze Zimmer ausfüllen.
    Einen Moment lang kämpfte sie gegen Panik an. Erneut tastete sie nach ihm, bekam nichts zu fassen, lauschte dann auf seinen Atem. Was sie hörte, war nicht er, sondern die Zimmertür. Jakub öffnete sie nicht vorsichtig wie sie selbst, sondern mit einem derben Stoß, der jeden überrumpeln sollte, der sich auf der anderen Seite verbarg.
    Aura hörte die Tür. Aber sie sah sie nicht.
    Sie konnte kaum zwei Meter davon entfernt sein, und dennoch blieben der Eingang des Zimmers und der Diener im Türrahmen unsichtbar. Ein entsetzliches Gefühl von Blindheit überkam sie, weil sie hörte und spürte, dass jemand unmittelbar vor ihr war, sie aber nicht einmal einen Umriss sah, nicht die winzigste Spur von Helligkeit.
    »Ich weiß, dass du dich vor mir im Dunkeln verkriechst.« Jakub sprach noch immer leise, aber nun lag eine bedrohliche Intensität in seinem Tonfall. Das hinkende Gliederkind musste die Schattennester nutzen, um ihm zu entkommen. Die Finsternis war Galathées Verbündete. Nicht einmal die stärksten Lampen und kein Sonnenstrahl vermochten sie zu durchdringen.
    Aura hörte Jakubs Kleidung im Türrahmen rascheln, dann den quietschenden Schwenkgriff seiner Petroleumlampe. Wahrscheinlich gab es elektrisches Licht in diesem Zimmer, aber er machte gar nicht erst den Versuch, es einzuschalten. Er musste längst wissen, dass er damit gegen das Dunkel nichts ausrichten konnte.
    »Eines Tages bekomme ich dich zu fassen«, flüsterte er. »Vielleicht schon bald. Sehr bald.«

    Sie wäre ihm gern entgegengetreten, diesem kleinen, verschlagenen Scheißkerl. Aber sie wollte nicht, dass Estella und Ludovico erfuhren, dass sie sich Zutritt zum Palais verschafft hatte. Weder konnte sie den Einfluss der beiden Familienoberhäupter über dieses Haus hinaus einschätzen, noch wollte sie riskieren, dass jemand die Polizei rief. Dieser Kommissar Frydrych würde sie genüsslich festnehmen und ihr dann erst recht die Morde an den Kaskadens anhängen.
    Verflucht, wo steckte

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