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Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Titel: Die Alchimistin 03 - Die Gebannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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steif wie das scheußliche Ungetüm an der Wand. Und auch als Sophia verstummte, ließ er sich nicht zu einer Erwiderung herab.
    Mit einem leisen Durchatmen ergriff Aura das Wort: »Gib meine Schwester frei und auch den Rest der Octavians.« Am Rande ihres Blickfelds bemerkte sie, dass Sophia erschüttert herumfuhr. Aber Aura hatte ihren Entschluss gefasst. »Lass uns unter vier Augen reden, Lysander. Dann gebe ich dir, was du verlangst.«

KAPITEL 50
    Gillian betrat das Haus auf demselben Weg wie schon einmal in dieser Nacht. Er kam aus der Dunkelheit, vom Fluss, und er war fast am Ende seiner Kräfte.
    Durchnässt und durchgefroren schob er sich die Wand hinauf zum Fenster an der Rückseite des Palais Octavian und glitt in das leere Zimmer. An seinen nassen Schuhen blieben Staubränder haften, als er hastig den Raum durchquerte.
    Draußen trieben sich Ophiten in den Gassen herum, jene, die ihrer Herrin auch jetzt noch treu blieben, während die anderen längst zurück in die Sicherheit ihrer Tageslichtidentitäten geflohen waren, in ihre Belle Époque-Apartments und Barockpaläste, zurück zu ihren Familien und Schreibtischen und prall gefüllten Geldschränken.
    Gillian hatte sich einen von denen gegriffen, die draußen die Stellung hielten, unfähig zu entscheiden, ob sie dem Befehl Sophias weiter Folge leisten oder versuchen sollten, sie aus dem Palais herauszuholen. Unter Androhung empfindlicher Schmerzen hatte der Mann auf einem dunklen Innenhof alles ausgeplaudert, und so wusste Gillian Bescheid über die Lage im Haus der Familie Octavian, soweit sie sich von außen einschätzen ließ. Er hatte dem Mann den dunklen Überwurf abgenommen, aber auch damit kam er nicht gegen sein Zähneklappern und den rasenden Pulsschlag an.
    Nach ein paar Minuten im Palais hatte er Gewissheit, dass zahlreiche Fremde durch das Gemäuer streiften. Sie waren auf der Suche nach etwas, aber ihr Vorgehen war planlos und plump; sie verhielten sich zu laut, fühlten sich zu sicher,
und das gab ihm die Gewissheit, dass es noch nicht zu spät war.
    Drei von ihnen tötete er, ehe sie begriffen, was mit ihnen geschah. Zwei weitere starben, als sie den Schattennestern zu nahe kamen, in denen Gillian ihnen auflauerte. Der sechste und der siebte waren zu zweit unterwegs, was die Angelegenheit mühsamer und schmutziger machte. Einen achten hätte er beinahe laufen lassen müssen, weil ihn die Kräfte verließen; nur mit Überwindung folgte er ihm und brachte ihn zum Schweigen. Den letzten schließlich trieb er verwundet in die Finsternis und hörte, wie er dort in einen Treppenschacht stürzte.
    Im hinteren Teil dieses Irrgartens stieß er danach auf keine weiteren Männer, war aber sicher, dass sich mehr von ihnen in den vorderen Salons und Fluren aufhielten, die von der Familie bewohnt wurden. Dass er sie ebenso rasch ausschalten konnte, hielt er für ausgeschlossen. Diese hier hatten nicht mit einem Angriff von hinten gerechnet, und die meisten waren allein unterwegs gewesen. Lysander aber würde vermutlich von einem Ring aus Männern umgeben sein, deren einzige Aufgabe darin bestand, ihn zu beschützen.
    Gillian hatte den Toten zwei Messer und einen geladenen Revolver abgenommen. Außerdem trug er trockene Kleidung, die erbärmlich stank, aber seinen durchgefrorenen Körper wärmte. Schwarze Hose, schwarzer Wollpullover, ein Paar hohe Lederschuhe, die ihm leidlich passten.
    Einen Augenblick lang hielt er inne, um sich zu orientieren. Er war zu viele Treppen hinauf und hinunter gelaufen. Befand er sich im ersten Stock oder weiter oben? Sicher sein konnte er nur, wenn er ein Fenster fand.
    Stattdessen entdeckte er einen Durchgang zur Empyreum-Passage. Die Tür war gewaltsam geöffnet worden, das Schloss sah aus, als hätte jemand es mit einem Hammer bearbeitet. Als er vorsichtig hindurchtrat, fand er sich in der hinteren Hälfte
der Passage wieder, in einer schmalen Nische zwischen leerstehenden Ladenlokalen. Ihre Schaufenster waren so blind wie alle Scheiben auf beiden Seiten der ausgestorbenen Promenade.
    Er war in der zweiten Etage, gut zwölf Meter über dem Erdboden. Vor den Läden verlief eine breite Galerie, umschlossen von einem eisernen Jugendstilgeländer. Gillian unterzog das Türschloss einer kurzen Untersuchung und erkannte am Rost, dass es schon vor geraumer Zeit zerstört worden war. Auf keinen Fall in dieser Nacht von Lysanders Leuten.
    Geduckt näherte er sich der Balustrade und blickte in die Tiefe. Auch unten im Parterre

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