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Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Titel: Die Alchimistin 03 - Die Gebannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Forderungen.«
    »Die hier tut niemandem weh.«
    Er machte eine großmütige Handbewegung. »Lass hören.«
    »Ich brauche das Kraut. Genug davon, um einen Menschen unsterblich zu machen.«
    Lysanders Stirn kräuselte sich. »Was ist aus Nestors Grab geworden?«
    »Es existiert nicht mehr.«
    Eindringlich sah er sie an, dann erschien ein Lächeln auf seinen Zügen. »Du hast die Knochen des alten Halunken ausgegraben und verbrannt?«
    »Im Meer versenkt.«
    Lysanders Lachen klang wie das eines Soldaten, dem Giftgas die Lunge zerfressen hatte. Aber er wurde wieder ernst, als er den Schmerz in Auras Augen entdeckte. »Um wen geht es?«
    Sie sah keinen Vorteil darin, ihm die Wahrheit zu verschweigen. Und so sehr sie ihn hasste für das, was er Gillian durch Tolleran hatte antun lassen, verspürte sie doch eine befremdliche Nähe, als hätte die jahrhundertelange Feindschaft zwischen ihm und ihrem Vater ihn zu einer Art Vertrautem gemacht. Das Gefühl erschreckte sie, weil es sie begreifen ließ, dass da tatsächlich etwas war, das sie mit ihm und seinesgleichen – mit Ungeheuern wie Morgantus und Nestor – verband: Die Konflikte zwischen ihnen waren wie Teile eines großen, uralten Spiels, dessen Regeln die Unsterblichkeit selbst schrieb.

    »Es ist Gian«, sagte sie leise. »Er liegt in Wien im Sterben. Ich weiß nicht, wie viel Zeit mir noch bleibt, aber das Gilgameschkraut ist das einzige, das ihn noch retten kann.«
    Lysanders weiße Brauen zogen sich noch enger zusammen. »Ich nehme an, du wirst ihn nicht fragen können, ob er Wert auf dieses Geschenk legt.«
    »Verdammt, er stirbt, Lysander!«, platzte es aus ihr heraus. »Mein Sohn wird sterben, wenn ich nichts unternehme. Und einen anderen Weg gibt es nicht.«
    Einer der Leibwächter machte einen drohenden Schritt auf sie zu, aber Lysander scheuchte ihn mit einer unduldsamen Geste zurück. Aus seinen gelbstichigen Augen sah er sie durchdringend an. »Ich war ein Mal so dumm, freiwillig auf das ewige Leben zu verzichten. Und sieh, wohin mich das gebracht hat! Ich werde denselben Fehler nicht noch mal begehen. Du hast recht – ich besitze genug von dem Kraut, und, ja, ich habe welches bei mir, egal, wohin ich gehe.«
    Mit bebender Hand griff er sich in den Kragen und zog ein schmales Band unter seinem Hemd hervor. Daran baumelte ein silbernes Oval, kaum größer als ein Daumenglied. »Nenn es eine eiserne Ration. Oder eine Absicherung. Vielleicht nur einen Talisman.«
    »Es ist da drin?«
    »Ein Extrakt«, bestätigte er nickend. »Du weißt inzwischen, wie man ihn gewinnt, nehme ich an.«
    Den Sud aus dem Gilgameschkraut in Gillians Wein hatte sie selbst angefertigt. Sie hätte Lysander die Ampulle vom Hals gerissen und wäre damit zu Fuß nach Wien gerannt, wenn es eine Chance gegeben hätte, lebend hier herauszugelangen.
    Stattdessen war Fingerspitzengefühl gefragt. Und Geduld. Sie wünschte sich, Gillian wäre hier, weil sie für beides genau die Falsche war.
    Lysander ließ das silberne Gefäß vor seinem Greisengesicht
baumeln. »Es gehört dir, Aura. Du hast mein Wort darauf. Wenn es dir gelingt, mich wieder jung zu machen, ist es deins und du kannst damit gehen, wohin du willst.«
    Verzweifelt ballte sie die Fäuste. »Ich kann das nicht! Ich weiß nur« — glaube zu wissen, verbesserte sie sich im Stillen – »wo du Iduna finden kannst. Der Rest ist deine Angelegenheit.« Und mit einem Blick auf die schimmernde Ampulle ergänzte sie: »Du musst Sophia zwingen, dir die Hesperide gefügig zu machen.«
    »Du hast sie doch gehört. Sie wird lieber sterben, als mir das Geheimnis zu verraten. Und mir war klar, dass es so kommen würde. Hätte es einen anderen Weg gegeben, glaub mir, du wärest jetzt nicht in Prag. Und Sylvette ... Sie war kein Teil des Plans. Sie dürfte überhaupt nicht hier sein.«
    »Hör auf damit.« Aura senkte den Blick. »Hör auf, mit dem Leben meines Sohnes zu spielen.«
    Lysander musterte sie einen Moment länger, dann befahl er einem der Leibwächter, ihn beim Aufstehen aus dem Sessel zu stützen. Als er auf seinen Stock gelehnt vor Aura stand, legte er einen knöchernen Finger unter ihr Kinn und hob es an, bis sie ihm in die Augen sah.
    »Hilf mir, wieder jung zu werden«, flüsterte er. »Dann wird auch Gian weiterleben.«

KAPITEL 52
    Aura führte Lysander und seine Leibwächter zurück in die Eingangshalle. Im Haus herrschte eine bedrückende Stille, sogar die fernen Stimmen der Eindringlinge waren verstummt.
    Der alte

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