Die Aldi-Welt
und seine Anonymität. Als beides halbwegs sichergestellt war, ist er einfach wieder in seinem Schattenreich verschwunden. Daraus aufgetaucht ist er nicht mehr.
Im Reich der Erben
Dynasten neigen im Regelfall nicht dazu, sich selbst für sterblich zu halten. Und wie das immer so ist mit dem Genmaterial: den Kindern wird zunächst nicht allzuviel zugetraut. Im Falle der Albrecht-Väter kommt hinzu, daß es sich um Prototypen der Wirtschaftswundergeneration handelt. Deren unumstößlicher Glaubenssatz – Haus bauen, Baum pflanzen, Sohn zeugen – ist zackig realisiert worden. Die Buben heißen Karl, Theo und Berthold; die beiden letzteren sind Brüder und stammen von Theo Albrecht ab. Sie fielen nicht weit vom Stamme: Theo jun. wird nachgesagt, eine noch größere Krämerseele als der Herr Papa zu sein. Weil aber ihre Väter das Familienvermögen vorsorglich in die Stiftungen überführt haben, mußten die Sprößlinge erst mal auf eigenen Füßen gehen lernen. Und wo könnte man das als Kind des Hauses Albrecht besser als ebenda? Von der Pike auf, jawoll.
Der promovierte Jurist Karl Albrecht jun. lernte das Discounthandwerk der Sage nach unter anderem in der bayerischen Kreisstadt Ebersberg östlich von München. Dortselbst unterhält Aldi Süd ein großes Auslieferungslager. Dr. Karl wurde beobachtet, wie er an windstillen Tagen auf das Flachdach der Lagerhalle stieg, um über den Luftschächten ein Blatt Papier fallen zu lassen. Bekam das Blatt Auftrieb, war dies als Anzeichen von entweichender warmer Luft ist gleich Energie ist gleich Geld zu werten. Selbst wenn die Anekdote übertrieben sein sollte, so ist sie wenigstens gut erfunden.
Ansonsten wurden die jungen Herren erst mal ins Ausland entsandt, um sich dort kaufmännisch die Hörner abzustoßen. Diplomkaufmann Theo Albrecht jun. gründete die Hutha Holding GmbH, sein Bruder Berthold die Weba Holding GmbH – die im Essener Handelsregister eingetragenen Firmen verfügen jeweils über ein Stammkapital von 15 Millionen Mark und kontrollieren die Anteile der Juniors an den dänischen Aldi-Ablegern.
So richtig hart rackern mußten die Nachkommen aber offenbar nie. Das wenige, was an die Wirtschaftspresse gelangt ist, vermittelt durchaus den Eindruck, daß die Milliönchen in Söhnchens Taschen so flossen wie anderswo die Hunderter oder Tausender. Was man halt so verschenkt bei Milliardärs: Die Filii wurden immer wieder mit kleinen Filialketten beschenkt; schon 1979 vermachte Theo seinen Sprößlingen die US-Kette Trader Joe’s Market mit 21 Zweigstellen. Nach Angaben eines ehemaligen Verkäufers des Filialisten habe Theo Albrecht damit lediglich »eine Investition für seine Söhne« tätigen wollen – richtig gekümmert haben sich weder Vater noch Söhne um den Laden; höchstens Stippvisiten bei Amerikaaufenthalten wurden verzeichnet.
Ein Aldi-Sohn, Berthold, dem böse Zungen ein zu weiches Herz, zu viel Familien- statt Kommerzsinn nachsagten, hat es immerhin auf Seite eins von Bild gebracht: »3 Mädchen – Ein Junge: Aldi-Vierlinge sind da« jubilierte das Blatt. Doch der Reihe nach: am 18. September 1985 um 14.30 Uhr fuhr ein Brautpaar vor der Abtei Werden bei Essen vor, um sich das Jawort zu geben: Aldi-Juniorchef Berthold Albrecht und Babette Andrea Hildegard Schönbohm. Das Eheversprechen wurde exakt um 15.10 Uhr vollstreckt, wie Bild damals berichtete: »Er im schwarzen Anzug mit weißer Nelke, sie in einem Traum aus Seide und Spitze. Wie Sterne in der Nacht funkelten auf dem bodenlangen, weitem Kleid mit tiefen Spitzenrückendekollete Straßsteinchen. Der Blumenstrauß aus rosa Rosen und weißem Schleierkraut.« Brautmutter Cilly (in »dunkelpinkfarbenem Mantel mit schwarzem Revers, silbernes, schulterlanges Haar und viereckiger Sonnenbrille«) hat sich offenbar tapfer gehalten; sie »tupfte mit der linken Hand am Nasenflügel«, blieb ansonsten äußerlich cool. Nach der katholischen Zeremonie verfügte sich der Troß von sechzig engen Verwandten und Freunden in die Albrechtsche Villa in der Westerwaldstraße (Essen-Bredeney); abends wurde im Schloß Hugenpoet gefeiert.
Albrecht jun. hatte die »attraktive Blondine« (Bild) aus Köln dreieinhalb Jahre zuvor kennengelernt. Nachbarn aus Essen, wohin sie wegen Berthold umgezogen war, schilderten sie als »Frohnatur«. Nach der Hochzeit passierte dynastisch erst mal fünf Jahre lang nichts. Bis eben im Jahre des Herrn 1990 die Vierlinge kamen – als Folge einer Hormonbehandlung.
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